Donnerstag, 30. September 2021

Eine kurze Geschichte der Fettlampe

Abb. 1: Rekonstruktion der Arbeiten unter Tage samt authentischer
Beleuchtung und Kleidung. (Foto: R. Lamprecht)

Die Beleuchtung ist naturgemäß mindestens genauso alt wie der untertägige Bergbau selbst.
Schon bevor man begann, im Berg nach wertvollen Mineralen zu schürfen, verwendete man einfache Fettlampen aus Stein zur Ausleuchtung von Höhlen, in die sich der Mensch aus den verschiedensten Gründen begab. Das prominenteste Beispiel dürften die bekannten Höhlen und die darin befindlichen Malereien von Lascaux sein, wo bereits vor 17.000 Jahren Fett- bzw. Öllampen verwendet wurden. Durchaus erstaunlich ist, dass nur geringfügig weiterentwickelte Formen dieser Beleuchtungsart bis in die jüngste Vergangenheit verwendet wurden (Abb. 1). Im Beispiel von Hallstatt waren sogenannte Unschlittlampen sogar bis vor etwas mehr als 100 Jahren im Einsatz!


Abb. 2: „Schwazer Lampe“ aus dem Tiroler Bergbau- und
Hüttenmuseum Brixlegg. A: Schneppe (Dochtschnauze),
B: Daumenrast, Tragloch oder Griffloch. (Foto: R. Lamprecht)

Im großen Stil wurden Fettlampen im hoch- und spätmittelalterlichen Erzbergbau verwendet. Ausgehend vom sächsischen Raum, wo sogenannte Schalenlampen mit Griffloch (Abb. 2) bereits im 12. Jahrhundert in Gebrauch waren, verbreiteten sich Abwandlungen davon in ganz Mitteleuropa. Spätestens im 15. Jahrhundert setzte sich diese Art des Geleuchts auch im Tiroler Raum durch (Abb. 3), auf dem im Folgenden etwas näher eingegangen werden soll. Bei gelegentlichen Grabungen und Prospektionen im Montanrevier Schwaz-Brixlegg, in dem im Hoch- und Spätmittelalter in großem Stil sogenanntes Fahlerz (eine Verbindung aus Kupfer, Silber und anderen Mineralen) gewonnen wurde, tauchten gelegentlich die „Schwazer Lampen“ auf. Meist als archäologischer Beifang abgetan wurde dieser Fundgattung lange keine größere Beachtung geschenkt, bis eine Gruppe junger Nachwuchsarchäolog*innen der Universität Innsbruck beschloss, der Herstellung und Verwendung der „Schwazer Lampe“ auf den Grund zu gehen. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen sollen hier präsentiert werden.

Abb. 3: Funktionsweise einer Schalenlampe. A: mit Griff, B: in der Hand gehalten, 
C: auf dem Kopf balanciert.
(Abbildungen: Agricola 1556 (erneut publiziert durch Hoover 1912), S. 193, 194, 213)

Aufgrund von praktischen Versuchen stellte sich heraus, dass die aus einer flachen Schale bestehenden Grundform der Lampe höchstwahrscheinlich auf der Töpferscheibe gedreht und mit wenigen Handgriffen in eine dreieckige Form gezogen wurde. Wichtig war dabei die, sich dadurch am vorderen Ende der Lampe bildende, flache Stelle, in der ein Docht liegen kann. In einem letzten Schritt wurde eine konische Tülle an das hintere Ende der Lampe eingesetzt, die als Trage- und Steckvorrichtung fungierte. Nach dem Brennen der Keramik kann die Lampe mit dem Brennmittel befüllt werden, das im Falle der „Schwazer Lampe“ aus Unschlitt (ausgekochtem Rinderfett) bestand. Zur Herstellung des Unschlitts eignet sich besonders das Fett, das sich zwischen den Organen eines Rindes befindet, da es beim Aushärten eine wachsartige Konsistenz erlangt (Abb. 4). Nachdem die ca. 30 Gewichtsprozent Wasser aus dem Fett durch eine Hitzequelle (offenes Feuer, Herdplatte, etc.) gekocht wurde, war das Brennmittel gebrauchsfertig. 

Abb. 4: Ausgehärtetes (links) und noch flüssiges (rechts) Unschlitt.
Unschlitt härtet unter 40 °C vollständig aus. (Foto: R. Lamprecht)

Als letzte Komponente fehlte der Lampe somit nur noch ein Docht, der aus einem saugfähigen Material bestehen muss. In einer Versuchsreihe stellte sich heraus, dass beinahe alle Stoffarten als Dochtmaterial geeignet sind. Historisch überliefert ist die Verwendung von alten Gewandresten aus Leinen, Baumwolle oder aber auch Asbest, der als unverbrennliches, aber dennoch saugfähiges Material ein nahezu idealer Grundstoff für die Herstellung von Dochten ist. Bei regelmäßiger Wartung („Dochtputzen“) war im Experiment zu beobachten, dass ein Docht von geläufiger Größe etwa 10 g Unschlitt pro Stunde verbraucht, womit eine „Tagesration“ zwischen 80 g und 100 g Unschlitt betragen haben dürfte. In einem Praxistest unter Tage zeigte sich, dass die Flamme durchaus windstabil ist und vollkommen zur Ausleuchtung während des Einfahrens (Hineingehens) und der Arbeit unter Tage ausreichte (Abb. 1).

Im frühen 20. Jahrhundert wurde die Fettlampe durch die Karbidlampe ersetzt, die durch die Reaktion mit Wasser und Calciumcarbit leicht entzündliches Acetylengas erzeugt und anschließend verbrennt. Erst seit etwa 30 Jahren wurde die Karbidlampe schrittweise vom elektrischen Licht abgelöst. Mit dieser neuesten Entwicklung geht man letztendlich dazu über, eine völlig neue Art von Energiequelle zu nutzen. Bis zur Einführung des elektrischen Lichts basierte die Beleuchtung stets auf der Verbrennung eines Brennstoffs wie Fett, Holz, Öl, Karbid usw. (Abb. 5). Damit änderte sich auch schlagartig das Bewusstsein des Verbrauchers entscheidend, da man sich auf einmal nur noch wenig um sein Geleucht zu kümmern brauchte. Allerdings hat sich nichts an der Tatsache geändert, dass das Geleucht zur wichtigsten Ausstattung der Bergleute gehört, sei es vor fast 20.000 Jahren oder der Gegenwart.

Abb. 5: Die Geschichte der Beleuchtung bei der
Archäologie am Berg 2021. (Foto: C. Fasching - NHM Wien)

Auch beim Stand der Hallstatt-Forschung bei der "Langen Nacht der Museen" vor dem Aufgang des Naturhistorischen Museums wird die Geschichte der Beleuchtung thematisiert werden, die man kommenden Samstag, 02.10., hautnah und interaktiv erleben kann.

Weiterführender Link zum vollständigen Artikel zu den Grubenlampen aus dem Tiroler Raum:

https://www.academia.edu/53987538/Experimentalarchäologische_Untersuchungen_zur_Herstellung_und_Verwendung_von_spätmittelalterlichen_frühneuzeitlichen_Grubenlampen_aus_dem_Bergbaurevier_Schwaz_Brixlegg_Tirol_Österreich_

 

von Roman Lamprecht

 





Sonntag, 26. September 2021

Kaltes Wasser, Gatsch, uraltes Holz und jede Menge zu Denken - Praktikum in Hallstatt

Die letzten vier Wochen in Hallstatt vergingen wie im Flug! 

Panoramasicht auf Hallstatt - wo die Zeit wohl wie im Flug vergeht.
(Foto: D. Brandner - NHM Wien)

Hallo, mein Name ist David Wieser und ich durfte heuer ein vierwöchiges Praktikum in Hallstatt absolvieren. Ich studiere „Urgeschichte und Historische Archäologie“ im Master an der Universität Wien. Schon während des Studiums sammelte ich Erfahrungen auf verschiedenen Ausgrabungen und bei mehreren Grabungsfirmen. Meine Interessen liegen in der Erforschung der prähistorischen Landschaft und deren Nutzung, der Experimentalarchäologie und altem Handwerk, aber auch in der Öffentlichkeitsarbeit und der Wissensvermittlung. Das Praktikum in Hallstatt war sehr abwechslungsreich, in dieser Zeit konnte ich viel Neues lernen, habe einzigartig Dinge gesehen, spannende Gespräche geführt und neue Freundschaften geschlossen.

Der tägliche Weg zur Arbeitsstelle im Berg - Grabung
einmal anders. (Foto: D. Brandner - NHM Wien)

Zu Beginn der diesjährigen Kampagne bereiteten wir die Fundverwaltung vor und bauten die Waschanlagen auf, diese nahmen wir auch gleich in Betrieb. So konnte ich auch von Anfang an einen breiten Überblick über das außergewöhnliche Fundspektrum bekommen, das mich in den nächsten Wochen im Berg erwartete. 

Arbeit an der Waschanlage und eingehendes
Inspizieren des Fundspektrums. (Foto: V. Laaha - NHM Wien)

Die Ausgrabung im Berg begann kurz darauf, diese unterscheidet sich in so ziemlich allen Aspekten von den Ausgrabungen, bei denen ich bisher mitgearbeitet habe. Arbeitsausrüstung, Werkzeug, Arbeitsabläufe sowie das Arbeitsumfeld sind grundverschieden. Ich arbeitete vor allem im „Christian-von-Tuschwerk“. Schrämmen, Pfriemeln, Förden und Aussortieren gehörten zu meinen Hauptbeschäftigungen im Bergwerk. 

Stück für Stück wird die prähistorische First
freigepfriemelt. (Foto: D. Brandner - NHM Wien)
 
Aber auch die Instandhaltung einer solchen „Baustelle“ nimmt viel Zeit in Anspruch. Im Normalfall arbeiteten wir in Zweiergruppen. Der Vortrieb durch die archäologischen Schichten mit Presslufthammer und Pfriemel ist kräftezehrend und beanspruchend, das Förden mittels Scheibtruhe in den schmalen Gängen des Bergwerkes stellte mich, trotz viel Erfahrung, immer wieder vor neue Herausforderungen. Beim Sichten und Vorsortieren des Materials an der Fundrutsche, kamen dann die besonderen Funde zum Vorschein: Schnüre aus Bast, Wollfäden aber auch Textilteste sowie Rohhaut- und Fellstücke gehören zu den außergewöhnlichen Funden, die für das Bergwerk typisch sind. Am meisten beeindruckten mich aber die Unmengen an Holzfunden

Scheibrtuhenfahren in den engen Gängen will
gelernt sein. (Foto: D. Brandner - NHM Wien)  

An der Fundrutsche kommen viele Funde aus dem
abgebauten Material zutage. (Foto: D. Brandner - NHM Wien)
  
Neben dem arbeitsintensiven Stunden untertage unternahmen wir auch kleinere und größere Exkursionen durch den Berg zu den verschiedenen prähistorischen Fundstellen im Hochtal aber auch auf das Dachsteinplateau. Diese spannenden Ausflüge durch die idyllische Natur waren sehr lehrreich und mit vielen Informationen gespickt. Die Exkursion auf das Dachsteinplateau geleitet von Kerstin Kowarik war besonders aufregend, da wir Sedimentbohrungen durchführten, die zu einem besseren Verständnis der Landschaftsnutzung in der Vergangenheit führen sollen. 

Auch am Abend kann man viel Neues lernen. Zum Beispiel wie
man Leuchtspäne spaltet... (Foto: D. Brandner - NHM Wien)

...oder das Herstellen von Lampenfett.
(Foto: H. Reschreiter - NHM Wien)

Abschließend möchte ich mich für die unvergesslichen vier Wochen bedanken: Danke für die Möglichkeit mitzuarbeiten; danke an das gesamte Grabungsteam, dass so viele Menschen so unkompliziert miteinander arbeiten können, das ist immer eine schöne Erfahrung; danke für die spannenden Gespräche und die vielen neuen Freundschaften, das gute Essen und die lustigen Abende in der Schmiede. 

Im Team arbeitet es sich am besten, auch beim Einfahren
mit dem Hunt. (Foto: D. Brandner - NHM Wien)
 

Zum Schluss noch ein Funfact: Insgesamt habe ich mir 137 Mal den Kopf im Berg angestoßen - glücklicherweise mit Helm und abnehmender Intensität. 


von David Wieser 

Samstag, 18. September 2021

Archäologie am Berg 2021 - Eine Fotostrecke

Wie bereits vorgewarnt findet gerade - also am 18. und 19. September - die "Archäologie am Berg 2021" im Hallstätter Hochtal statt. Hier wollen wir einige Eindrücke teilen. 
Besucht können wir noch morgen Sonntag 19. September, zwischen 10:00 und 17:00 Uhr, werden. 


"Team-Textil" zeigt wie aus Wolle
Kleidung und andere Gewebe werden.
(Foto: C. Fasching - NHM Wien)

Der Weg der Funde - Die Fundverwaltung der
Bergwerks-Grabung zeigt ihren Arbeitsablauf und die
Highlights der heurigen Grabung.
(Foto: C. Fasching - NHM Wien)

Und wieder fragen wir uns: "Was wächst denn da?" -
Botanische Erkenntnisse rund um Hallstatt.
(Foto: C. Fasching - NHM Wien)

Blick aus dem Hochtal - das Wetter spielt mit!
(Foto: C. Fasching - NHM Wien)

Licht, Leuchten und Späne - Die Geschichte des Lichts.
(Foto: C. Fasching - NHM Wien)

Aus Fett mach Lampen - Licht vor der Elektrizität.
(Foto: C. Fasching - NHM Wien)

Man nehme und scanne - So werden Funde
digitalisiert. (Foto: C. Fasching - NHM Wien)

Vom Hochtal bis in den See - Die Seekernbohrung im
Hallstättersee wird erklärt. (Foto: C. Fasching - NHM Wien) 

Interaktives Lernen - Leuchtspäne als Lichtqulle.
(Foto: C. Fasching - NHM Wien)

Es wuselt im Hochtal - Die Hallsttatforschung öffnet
 ihre Tore. (Foto: C. Fasching - NHM Wien)

Hallstatt-Game - Eintauchen in das prähistorische
Hallstatt. (Foto: C. Fasching - NHM Wien)
 
Auch die Wildbach- und Lawinenverbauung stellt sich vor.
(Foto: C. Fasching - NHM Wien) 

Gräberfeld under cover - Zugeschüttet aber mit vielen
Modellen präsentiert sich heuer die Grabung am Gräberfeld.
(Foto: C. Fasching - NHM Wien)



Sonntag, 12. September 2021

Alle Jahre wieder - Warum ist Hallstatt ein bewahrens- und erforschenswerter Ort?

Ein Jahr später und ich bin wieder im Bergwerk in Hallstatt. Die Arbeiten im Christian-von-Tusch- Werk haben nach Beendigung der letzten Kampagne Pause gemacht und geduldig auf uns gewartet. Umso ungeduldiger hatte ich gewartet, hier wieder zwei Wochen voller unglaublicher Funde, spannender Diskussionen und wunderschöner Natur zu verbringen.

Viele Meter unter der Erde, umgeben von prähistorischem Betriebsabfall
- aber wozu? (Foto: D. Brandner - NHM Wien)

Frei nach Simonys Reiseberichten zum Dachsteinplateau: Die Zeit hier wirkt immer, wie aus der Welt gegriffen.
Abends, wenn man ins Hochtal aufgeht, streicht einem der kühle Plassenwind um die Nase und der Duft vom Bergwerk liegt schon fast in der Luft. Der Mars scheint hell in der Nacht und wenn man Glück hat, wird man von einem Steinkauz begrüßt. Letztes Jahr schrien noch zwei um die Wette. Doch anscheinend hat einer das Hochtal für sich behauptet und der andere musste weiterziehen. Ein glücklicher Vogel, der hier leben kann.

Das Hallstätter Hochtal bei Nacht - die Zeit des Käuzchens.
 (Foto: D. Brandner - NHM Wien)


Dies und all die anderen faszinierenden Eindrücke des letztes Jahres hatte ich natürlich Zuhause Freund*innen erzählt. Wir können hier rekonstruieren, wie die Bergleute vor bis zu 3000 Jahre gelebt und gearbeitet haben. Wir wissen, was sie gegessen und wie sie sich gekleidet haben. Wir können Teile ihres Alltags verstehen und wir können feststellen, dass sie schlaue und einfallsreiche Personen waren, die für fast jedes Problem eine innovative und praktikable Lösung gefunden haben.
Dieses so gut konservierte Fenster in die Vergangenheit ist für mich absolut begeisternd. Für die Mutter einer Freundin, der ich von meiner Arbeit hier erzählte, eher nicht. Sie fragte direkt: "Ja und was bringt uns das heute? Warum macht ihr das überhaupt? Weiß man denn nicht schon genug? Warum ist Hallstatt ein bewahrens- und erforschenswerter Ort?"

Für mich war der Grund Archäologin zu werden die Neugier. Ich wollte wissen, wie Leute in der Vergangenheit gelebt haben, wo wir herkommen und wie sich unsere Gesellschaften und Kulturen entwickelt haben. Aber was bringt es die Menschheit weiter, zu verstehen, wie an irgendeinem Ort in den Alpen von circa 3000 Jahren Salz abgebaut wurde? Warum sollten wir Jahr für Jahr in Stollen herumkriechen und kübelweise Gatsch bewegen? Da reicht reine Neugier irgendwann als Rechtfertigung nicht mehr aus. Es gibt aber auch sehr viele, sehr sinnvolle Antworten auf diese Frage.

Eine liegt darin, dass die Menschen hier nicht nur VOR 3000 Jahre Salz abgebaut haben, sondern auch kontinuierlich FÜR mehrere Jahrhunderte. Es können durch archäologische Untersuchungen und die Analysen der verschiedenen Umweltarchiven mehrere Katastrophenereignisse gefasst werden, die die Abbaukammern völlig verfüllten und auch Übertage einiges zerstörten. Doch die Hallstätter ließen sich nicht vertreiben und bauten innerhalb weniger Jahre an einer anderen Stelle wieder Salz ab. Es handelte sich hier also um einen Industriebetrieb, der scheinbar über mehrere Jahrhunderte hinweg stabil ist und zudem resistent gegenüber Umweltkatastrophen war. Zu verstehen wie dies möglich ist wäre doch gerade in Anbetracht der Wetterlagen dieses Sommers eine gute Antwort.

Eine weitere schöne Antwort ist, dass man in Hallstatt die älteste Einwegverpackung der Welt finden kann. Vieles, was für den Transport verpackt wurde, wurde mit Bastschnüren verschnürt, die danach weggeschmissen wurden. Damit könnten Ansätze gefunden werden, wie wir das Plastikmüllproblem verbessern können.

Im Hochtal von Hallstatt findet über Jahrtausende hinweg ein sehr intensiver Abbau von Salz statt und heute wirkt es auf den ersten Blick wie ein wunderschöner Flecken Natur. Die Art und Weise, wie hier während des Betriebes mit der Umwelt umgegangen wurde, hat diese nicht völlig zerstört, so wie es heute von modernen Industriebetrieben bekannt ist. Auch um zu verstehen, wie dies funktionierte, lohnen sich intensive Forschungen.

Hier in Hallstatt kann man erfahren, vor welche Herausforderungen die Menschen in der Vergangenheit gestellt wurden und wie sie diese gelöst haben. Die gleiche Gesellschaft hat hier über hunderte Generationen gearbeitet, hat ihre Methoden verbessert und sich durch Umwelt- und andere Katastrophen nicht vertreiben lassen. Sie haben, trotz widrigster Umstände (der kühle Plassenwind in der Nacht ist wirklich kühl) Jahrhunderte lang nicht nur überlebt, sondern sich zu einer der reichsten Kulturen ihrer Zeit entwickelt. Um zu verstehen, wie sie das geschafft haben, lohnt es sich, jeden Tag in einen Stollen zu kriechen und sich stundenlang durch Gatsch zu wühlen.                                    

Die Autorin an der Funndrutsche, hin und weg vom
gatschigen Fundmaterial. (Foto: D. Brandner - NHM Wien)


Das waren ein paar der möglichen Antworten, warum es sich lohnt, hier immer weiter zu forschen. Leider sind meine zwei Wochen schon wieder vorbei. Jetzt heißt es für mich „pfüat eich“ zum Bergwerk und zu Hallstatt zu sagen. Bis zum nächsten Jahr.


von Svenja Pohl 

 





Mittwoch, 8. September 2021

Das Welterbe bewahren, erforschen und sichtbar machen - Archäologie am Berg 2021

Das Naturhistorische Museum Wien und die Salzwelten Hallstatt laden am Samstag, 18. und Sonntag, 19. September 2021, von 10.00–17.00 Uhr zur Archäologie am Berg 2021 ein.

Präsentation der Forschungsarbeit in der NHM Wien-Außenstelle in Hallstatt / Alte Schmiede 7.000 Jahre Salz haben eine ganze Region geprägt und eine einmalige Industrie- und Kulturlandschaft entstehen lassen.Wissenschaftler*innen des NHM Wien und ihre Kooperationspartner stellen die aktuellen Forschungsergebnisse um das älteste Salzbergwerk der Welt vor.
Tauchen Sie ein in die Mensch-Umweltgeschichte, heute genauso aktuell wie vor 3.000 Jahren!

Geschichtsbücher im Boden: Erfahren Sie, wie Moore und Seeablagerungen gelesen werden und sehr detailliert die „Salzgeschichte“ erzählen.

Seit Jahrtausenden dasselbe: Verbrauch, Produktion, Rohstoffe, Arbeitskraft, Transport – Auch Ressourcenverknappung und nachhaltiges Wirtschaften begleiten die Salzgeschichte von Anfang an.

Der lange Weg der Funde: Seien Sie bei allen Arbeitsschritten – von der Bergung im Stollen bis zur Präsentation in der Vitrine – dabei.

Digitale Archäologie: Erleben Sie, wie Laserscanner und CT in der Archäologie eingesetzt werden und lassen Sie sich mit Kugelpanoramen und 3D Modellen in die Welt der prähistorischen Bergleute entführen.

Erleben Sie die Welt des Bergbaus und erfahren Sie, wie Wissenschaftler*innen aus unterschiedlichsten Fachrichtungen das Salzbergtal, die prähistorischen Bergwerke und ihr Umfeld erforschen und vermitteln und wie die archäologischen Fundstellen Unter Tage in einem groß angelegten Projekt saniert und für kommende Generationen bewahrt werden.

Eine Veranstaltung zum Mitmachen, Ausprobieren und Entdecken für Familien und alle Interessierten. Sehen, hören, testen und staunen!

Die Teilnahme an der Veranstaltung ist kostenlos. 
Wir freuen uns Sie/euch bald begrüßen zu dürfen! 




Sonntag, 5. September 2021

Bergwärts in den tiefen Norden - Der Nordvortrieb 2021

Archäologen bei der gründlichen
Freilegung und Reinigung der Hölzer
des Versturzes in beengtem Raum.
(D. Brandner - NHM Wien)
Schon in den Jahren 2015 bis 2019 wurde im Nordvortrieb des Christian-von-Tuschwerkes ein Querschnitt durch den bronzezeitlichen Betriebsabfall angelegt, bei dem es galt, die Ausmaße des Selbigen zu erforschen. Dabei konnte das obere Ende der Halde und somit der letzte Begehungshorizont der Bergleute vor Aufgabe der Abbaukammer erreicht und freigelegt werden (wir berichteten). Im Vorjahr konnte durch Prospektionsbohrungen die Decke, die Firste, der Kammer entdeckt werden. Aktuell können wir eine Höhe dieses Abbauraumes von über 15 m nachweisen. Das entspricht einem 5-stöckigem Haus (siehe Grafik). 

Das untere Ende (die Sohle) sollte nun als nächstes gesucht werden. 
Wie immer ist auch die Gewinnung von Dendrochronologie-Proben für eine genaue Rekonstruktion der zeitlichen Abfolge der Fundstelle ein Ziel.

Bereits in den 2000er Jahren wurden Versuche unternommen die Sohle zu ergraben. Diese wurden aber vorläufig eingestellt, da große Grubenhölzer das Vorankommen erschwerten. Dieser ca. 2 m abgetiefte Bereich, das Gesenk, wurde 2020 wieder aufgefahren. 

Nachdem alte Verzimmerungsreste und nachgefallenes Bergmaterial entfernt wurden, konnten neue Schraubstützen zur Absicherung des Forschungsstollens gesetzt und eineFörderrutsche mittels Windenzug eingerichtet werden.


Ein Querschnitt dirch das Forschungsstollensystem mit den zwei
aktuellen Untersuchungsstellen (in rot hinterlegt). Die rechte Stelle
 zeigt das Gesenk im Nordvortrieb. (Grafik: D. Brandner - NHM Wien)

Daraufhin galt es den ehemaligen Stollen des Gesenks zu verbreitern, da er in den vergangenen 15 Jahren durch den Bergdruck erheblich schmäler geworden war. Um bis zu 30 cm pro Seite musste nachgerissen werden. Dabei konnten wir auch wieder einige Werkzeugfragmente, unter anderem von Pickelschäftungen und Sortierschwertern, des bronzezeitlichen Bergbaus auffinden. 


Ein Fragment einer gebrochenen
Pickelschäftung. Auf die Zinken
des Kopfeswurde eine Pickelspitze
ausBronze gesteckt.
(Foto: D. Brandner - NHM Wien)

Das abgehackte Stück eines dicken Seils, aus
 Lindenbast. (Foto: D. Brandner - NHM Wien)

Ein Sortierschwert für die Trennung von Salz und taubem
Gestein. (Foto: D. Brandner - NHM Wien)



Das Digitale Höhenmodell ist das Ergebnis langer
Grabungs- und Dokumentationsarbeit und
veranschaulicht gut die Situation im
Gesenk des Nordvortriebs.
(Grafik: D. Brandner - NHM Wien)

Hier fanden sich auch Spuren eines Vortriebs aus dem 18. Jahrhundert, von dem ein barockes Sohlbrett sowie ein großer Keil beim Nachreissen entdeckt werden konnten. Bereits 1999/2000 fand man in diesem Bereich Holzschwellen und barocke Stempelhölzer - das sind für die Stabilität der Stollen eingesetzte Baumstämme und Hölzer - des „alten Grubenoffens“, der vor 1748 angelegt worden war. 

Runde prähistorische Grubenhölzer einer Versturzsituation wurden in diesem Bereich im 18. Jahrhundert abgehackt und auch ein dickes Lindenbastseil hatte man gekappt. Dieses Seil gleicht an Dimension und Machart dem bereits bekannten, 12 m langen Förderseil aus derselben Abbaukammer und ist erst das zweite Lindenbastseil dieser Größe aus dem Christian-von-Tuschwerk.

Die Rundhölzer des prähistorischen Versturzes haben Durchmesser von 5-25 cm und wurden gründlich gereinigt, um ihre Formen und Ausrichtung bestmöglich dokumentieren zu können.   

Die Jahrringdatierung von zwei Hölzern an dieser Stelle des Vortriebs ergaben das Datum 1155 vor Christus. Damit ist dieser Bereich nicht nur der tiefste sondern auch einer der ältesten in der Fundstelle Christian-von-Tuschwerk.

Gewinnung einer Bohrkernprobe für die Datierung 
anhand der Jahrringe.
(Foto: D. Brandner - NHM Wien)



In der Kampagne 2021 soll nun das Gesenk, bis zum Ende des Nordvortriebs auf die Höhe des Holzversturzes erweitert werden. So hoffen wir, die Versturzreste möglichst großflächig dokumentieen zu können. Dabei werden wir auch der Sohle (dem originalen Boden der Abbaukammer) weiterhin folgen, um den Querschnitt durch den bronzezeitlichen Betriebsabfall bis zu seinem unteren Ende fassen zu können. Das soll uns helfen, die größe der ursprünglichen Abbaukammer, die Organisation, die Arbeitsabläufe aber auch den Alltag der prähistorischen Bergleute besser fassen und verstehen zu können.

Wir freuen uns auch weiterhin auf spannende Ergebnisse der Grabung!

Von Chrisoph Jezek