Die ältesten Funde aus dem Bergwerk Hallstatt und dessen Umgebung sind 7000 Jahre alt und belegen eine sehr frühe Salzgewinnung.
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Steinzeitlicher Hirschgeweihpickel (Bild: D. Brandner – NHM Wien) |
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Prospektion im Siegmoos oberhalb von Hallstatt und Bohrkern aus dem Moor.(Bild: H. Reschreiter – NHM Wien) |
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Querschnitt durch den Hallstätter Salzberg mit der Rekonstruktion des ältereisenzeitlichen Bergbaus (ca. 750-662 BC) in blau. (Bild: D. Brandner – NHM Wien) |
Die Daten aus dem Moor geben bereits sehr gute Anhaltspunkte über die Entwicklung der Salzproduktion über die letzten 6300 Jahre. Wir wollen aber auch den Beginn der Salzgewinnung feststellen, die Betriebsphasen des Bergbaus über die letzten 7000 Jahre noch besser fassen und das Ausmaß und die Häufigkeit der Rutschungen erforschen. Überdies ist es uns wichtig die Reaktionen auf diese Katastrophen zu verstehen.
Die Seekernbohrungen der letzten Jahre haben gezeigt, dass viele Antworten auf diese Fragen in den Ablagerungen am Seeboden gespeichert sind. Die Zuflüsse des Sees schwemmen nach jedem Gewitter, nach jeder Rutschung feine Sedimente in den See.
Trübung des Hallstätter Sees nach einem Gewitter. (Bild: H. Reschreiter – NHM Wien) |
Diese sinken gemeinsam mit Pflanzenteilen, Blütenstaub, Insektenteilen und Zellteilen von Lebewesen, die am und um den See leben, langsam auf den Seeboden und bilden dort eine dünne Sedimentschicht. Auch Schwermetalle, die in der Luft sind, finden ihren Weg in die Sedimentschichten – ähnlich wie im Moor über Hallstatt, wo diese erst kürzlich nachgewiesen werden konnten (Knierzinger et al.2021).
Jedes Hochwasser- und Rutschungsereignis hat so seit der letzten Eiszeit vor 16.500 Jahren eine dünne Schicht am Seeboden entstehen lassen.
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Feine Sedimentschichten vom Boden des Hallstätter Sees. (Bild: H. Reschreiter – NHM Wien) |
Der Seeboden – ursprünglich eine blanke vom
Gletscher ausgehobelte Felswanne – ist jetzt mit zig Metern feinstem Sediment
bedeckt. Ausgehend von den obersten Schichten der letzten Jahre können, wenn
tiefer gebohrt wird, immer ältere Sedimente erreicht werden. Der Seeschlamm,
kann, wenn man weiß wie, wie ein sehr exaktes Geschichtsbuch gelesen werden –
von heute beginnend bis in die Eiszeit.
Und genau dieses einmalige Geschichtsbuch, diese Seesedimentschichten, wollen wir gemeinsam mit unseren Forschungspartnern heben und detailliert analysieren. Die erste Bohrung in Hallstatt 2012 und die Nachfolgebohrung 2016 haben gezeigt, dass es möglich ist und dass hervorragende Ergebnisse erzielt werden können, dass aber auch noch zwei Herausforderungen gemeistert werden müssen.
Bohrung im Hallsttätter See 2012. (Bild: H. Reschreiter – NHM Wien) |
Zum einen haben wir in den bisherigen
Bohrungen regelmäßig große Unterwasserrutschungen
in den Seesedimenten angetroffen. Diese sind auf Grund ihres hohen Sand- und Kiesanteils
schwer zu bohren und können die Abfolge der Sedimentschichten durcheinander
bringen. Zum anderen haben wir gesehen, dass die bisherigen Bohrungen, welche bis
in 15,6 Meter Tiefe der Sedimentschichten
vorgedrungen sind, gerade einmal 2300 Jahre in die Vergangenheit zurück
reichen. Diese Bohrtiefe stellte aber das Limit der bisherigen Bohrtechnik dar.
Damit war bisher keine Möglichkeit vorhanden, bis in die Steinzeit-Schichten zu
bohren, welche wir ab einer Tiefe von über 30 Metern erwarten.
Die Anforderungen waren damit klar – eine
Stelle finden, an der die Seesedimente nicht durch Unterwasserrutschungen
gestört sind und eine Technik zu haben, um wesentlich tiefer bohren zu können.
Beides ist
nun nach langen Vorarbeiten in einem internationalen Projekt möglich.
Eingebettet in die Forschungskooperation aus Universität Innsbruck,
Naturhistorischem Museum Wien, Universität Bern und Geoforschungszentrum
Potsdam wird von der Firma Uwitec eine völlig neu entwickelte, riesige Bohrplattform am Hallstätter See verankert.
Die ersten Tests haben gezeigt, dass mit dieser Technik über 60 Meter
Seesedimentbohrkerne gehoben werden können – und es damit möglich sein sollte,
in Hallstatt bis in die Steinzeit zurückschauen zu können. Über die Bohrung
berichten wir dann an dieser Stelle, wenn es so weit ist.
Um aber diese Bohrung vorzubereiten, war es notwendig den geeigneten Platz dafür am Seeboden zu lokalisieren. Dafür wurde der Hallstätter See in den letzten Tagen systematisch mit einer sogenannten Airgun (deutsch: Wasserkanone) abgefahren.
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Die Airgun verstaut und montiert am Boot der Feuerwehr Hallstatt. (Bild: K. Kowarik – NHM Wien) |
Viel Elektronik ist zum Aufzeichnen der Airgundatennotwendig. (Bild: H. Reschreiter – NHM Wien) |
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Schnitt durch die Sedimentschichten des Sees. (Strasser et al. 2020) |
Die Auswertung der generierten Daten erfolgte in Bern und liefert uns ein Bild der Rutschungen im See in den letzten 3000-4000 Jahren. Zwischen diesen Rutschungen haben wir dann versucht die neue Bohrung zu platzieren.
Mit dem Airgun Survey ist der erste entscheidende Schritt für die Vorbereitung der Bohrung abgeschlossen worden.
Nun sind wir schon sehr gespannt auf die Bohrung. Alleine der Aufbau der Plattform hat eine Woche in Anspruch genommen. Danach sind 4 Wochen am See veranschlagt – und erst dann wissen wir, ob alles nach Plan verlaufen ist. Wenn die Bohrung aber gut verläuft und wir bis in 50, 60 oder gar 70 Meter Tiefe des Sediments vordringen, dann werden wir die Geschichte Hallstatts und seiner Salzproduktion wesentlich erweitern und verfeinern können und eine recht genaue Vorstellung haben, wann Menschen das erste Mal im inneren Salzkammergut regelmäßig anwesend waren, in ihre Umwelt eingegriffen haben und Bäume gefällt haben – um Salz zu sieden oder um erste Stollen in den Salzberg abzustützen. Die 7000 jährige Salzgeschichte, welche heute von der Salinen Austria AG erfolgreich weitergeführt und von den Salzwelten vermittelt wird, kann dann recht genau rekonstruiert werden.
Mit dieser Bohrung
wird es möglich sein viele Daten zum gesamten System rund um die Salzproduktion
zu erfassen. Wir wollen verstehen, wie Produktion und Transport, Versorgung und
Umweltereignisse, Klimaveränderungen durch die letzten Jahrtausende dieses
transalpine europaweite Netzwerk beeinflusst, verändert und geprägt haben.
Mehrere
Forschungsprojekte werden an der Auswertung der Seesedimente in den nächsten
Jahren arbeiten – und unser Bild zu dieser einzigartigen Kultur- und
Industrielandschaft erweitern. So werden wir am 18.4.2022 – zum nächsten
Welterbetag – rechtzeitig zum 25-jährigen UNESCO Jubiläum Hallstatts bereits erste Daten
dieses aufwändigen Projektes vorstellen können.
Österreichische Akademie der Wissenschaften
wäre dieses Projekt nicht realisierbar
gewesen.
Bibliographie
Barth, F. E. & Reschreiter, H. 2019. Prähistorische Bergbauspuren im Kernverwässerungswerk des Salzbergwerkes Hallstatt. In: Kern, A., Grömer, K., Kowarik, K. & Reschreiter, H. (eds.): ArchOn Hallstatt 1 (Wien). https://www.nhm-wien.ac.at/en/publications/scientific_series/ArchOn/mining
Festi, D., Brandner, D., Grabner, M., Knierzinger, W., Reschreiter, H. & Kowarik, K. 2021. 3500 years of environmental sustainability in the large-scale alpine mining district of Hallstatt, Austria. Journal of Archaeological Science: Reports 35, 102670. https://doi.org/10.1016/j.jasrep.2020.102670
Grabner, M., Wächter, E., Nicolussi, K., Bolka, M., Sormaz, T., Steier, P., Wild, E. M., Barth, F. E., Kern, A., Rudorfer, J., Kowarik, K., Stöllner, T., & Reschreiter, H. 2021. "Prehistoric salt mining in Hallstatt, Austria. New chronologies out of small wooden fragments." Dendrochronologia 66:125814. https://doi.org/10.1016/j.dendro.2021.125814
Harms, U., Raschke, U., Schwalb, A., Anselmetti, F.,
Strasser, M., Wittig, V, Wessels, M., Schaller, S,. Fabbri, S., Niederreiter, R. 2020. HIPERCORIG – an
innovative hydraulic coring system recovering (post-) glacial sediments from
Lakes Mondsee and Constance. Scientific
Drilling 28, pp. 29-41. https://doi.org/10.5194/sd-28-29-2020
Knierzinger, W., Festi, D., Limbeck, A., Horak, F., Brunnbauer, L., Drollinger, S., Wagreich, M., Huang, J-J. S, Strasser, M., Knorr, K-H., Reschreiter, H., Gier, S., Kofler, W., Herzig, C. & Kowarik, K. 2021. Multi-proxy analyses of a minerotrophic fen to reconstruct prehistoric periods of human activity associated with salt mining in the Hallstatt region (Austria). Journal of Archaeological Science: Reports 36, 102813. https://doi.org/10.1016/j.jasrep.2020.102670
Kowarik, K., 2019. Hallstätter
Beziehungsgeschichten. Wirtschaftsstrukturen und Umfeldbeziehungen der bronze-
und ältereisenzeitlichen Salzbergbaue von Hallstatt/OÖ. (Mit Beiträgen von
Michael Grabner, Julia Klammer, Konrad Mayer, Hans Reschreiter, Elisabeth
Wächter und Georg Winner). Studien zur
Kulturgeschichte von Oberösterreich 50 (Linz).
Strasser et al.
2020
https://doi.org/10.1144/SP500-2019-178
Unterberger, J. 2020. Der Kaiserin-Christina-Berg am Hallstätter Salzberg: Überlegungen zur bergmännischen Vermessung und Vortriebsleistung. In: Kern, A., Grömer, K., Kowarik, K. & Reschreiter, H. (eds.): ArchOn Hallstatt 2 (Wien). https://www.nhm-wien.ac.at/en/publications/scientific_series/ArchOn/mining