Donnerstag, 26. September 2019

Bronzezeit-Mikado - Neues aus dem Westend

Situation im Westend zu Grabungsstart 2019 im
Salzberg von Hallstatt. (Bild: D. Brandner - NHM Wien)
Wie bereits im letzten Jahr berichtet wurde, konnten im "Westend" genannten Vortrieb etliche prähistorische Grubenhölzer entdeckt werden. Da aber nach wie vor unklar war, zu welchem Zweck die Hölzer in den Berg gebracht wurden, sollten in diesem Jahr genauere Untersuchungen dazu erfolgen. 

Bei Ausgrabungen im Hallstätter Salzbergwerk hat man aufgrund der Vortriebsweise - schmale, enge Stollen - nur selten die Chance auf die Bergung vollständiger Hölzer. Genau das ist hier nun möglich. Nicht zuletzt deshalb stellt das Westend eine Besonderheit dar. 

Die vollständig erhaltene Kratze in originaler Fundlage.
(Bild: D. Brandner - NHM Wien)
Wir entschieden uns zu einer schrittweisen Abtragung der fundführenden Schicht aus Heidengebirge auf das Niveau der jeweiligen Holzlagen. Dabei kamen besonders gut erhaltene Werkzeuge der bronzezeitlichen Bergleute zum Vorschein. Neben einer fast ganz erhaltenen Knieholzschäftung zählte eine vollständige Kratze zu den spektakulärsten Funden.

Nach der Dokumentation mit der structure-from-motion-Methode, mit der wir ein dreidimensionales Modell des Vortriebs, aber daraus auch entzerrte Ansichten der Situation erhalten, konnten wir die Dimension und Lage der Hölzer auf dem Plan vervollständigen. Stets darauf bedacht, die Reihenfolge der Bergung genau zu dokumentieren, konnten wir mit dem schrittweisen Abbau beginnen.

Roman beim Zeichnen des Lageplans der Grubenhölzer.
(Bild: D. Brandner - NHM Wien)
Um die Hölzer entfernen zu können, müssen die von den prähistorischen Bergleuten zuletzt „abgelegten“ Hölzer zuerst entnommen werden, da diese demnach heutzutage ganz oben liegen. 

Und genau da begann die Herausforderung: Weil die Hölzer unregelmäßig abgelagert wurden und da der Berg im Laufe der Zeit viele davon stark gestaucht hat, sieht man sich zwangsweise mit einer Art Bronzezeit-Mikado konfrontiert. Dann gilt es zu klären, welches Holz über dem anderen liegt und welches davon zuerst entnommen werden kann.

Ausfördern einiger Hölzer auf dem Grubenhunt.
Ab auf die Waschanlage!
(Bild: D. Brandner - NHM Wien)
Die Hölzer an sich sind unterschiedlich gestaltet. Es sind sowohl „größere“ Durchmesser von bis zu 20 cm, als auch kleinere mit 4 bis 5 cm vorhanden. Viele der Hölzer zeigen nur geringfügige Bearbeitungsspuren wie grobe Zurichtungen oder sind mit Ausnahme der Entastung ansonsten unbearbeitet. 

Da eine Begutachtung der Hölzer im Berg nur begrenzt möglich ist, entschieden wir uns für das Ausfördern der Stämme zu unserer Fundverwaltung. Im eigens dafür errichteten Entsalzungsbecken werden die Hölzer von anhaftendem Schlamm und in ihnen gelöstem Salz befreit. 

Sobald die vielen Hölzer - es sind mittlerweile an die 50 Stück - fertig entsalzen sind, können wir hoffentlich genauere Aussagen zum Verwendungszweck treffen.

von Roman Lamprecht


Dienstag, 24. September 2019

Weiter geht's! Grabungskampagne 2019

Schon Ende der Grabung 2018 war das
Profil des Nordvortriebs beeindruckend
und informativ. 2019 wird es nun erweitert.
(Bild: D. Brandner - NHM Wien)
Neben all der Experimente, Öffentlichkeits- und Projektarbeit geht natürlich auch die Ausgrabung im Salzberg von Hallstatt dieses Jahr weiter. 

Nach wie vor forschen wir an der bronzezeitlichen Fundstelle Christian-von-Tusch-Werk. Wir kennen die ungefähre Größe der Abbaukammer, wissen, wo sich die Schächte in die darüber- und die darunterliegende Abbaukammer befinden und können die zahlreichen Funde aus Holz datieren. 

Doch immer noch gibt es sehr, sehr viele ungeklärte Fragen. Anhand des in Schichten abgelagerten Heidengebirge vermuten wir, dass sich in der Bronzezeit mehrere Baue an dieser Fundstelle geschnitten haben. Um zu verstehen wo, wie und warum, arbeiten wir auch dieses Jahr daran das Querprofil durch die Abbaukammer im Nordvortrieb zu erweitern. Außerdem setzen wir den schichtweisen Abbau des Heidengebirges im "Westend" fort, in dem zahlreiche lange Hölzer abgelagert wurden. Ob dies intentionell und zu einem bestimmten Zweck, nach und nach oder beim Eindringen des Tagmaterials, dass diesen Bergbau unterbrach geschah, gilt es zu klären.


Eines kann ich auf jeden Fall schon verraten: auch dieses Jahr wird weder die archäologische Interpretation noch die Bearbeitung von Fundmaterial zu kurz kommen!
von Fiona Poppenwimmer

Die 2018 freigelegten Hölzer und das umliegende Heidengebirge werden dieses Jahr flächig abgetragen um ihre Funktion zu klären. (Bild: D. Brandner - NHM Wien)

Montag, 9. September 2019

Ahoi! Der Stapellauf am Hallstätter See


Die Bootsbauer Hans Reschreiter und Jonas
Armbruster lassen ihr Werk zu Wasser.
(Bild: M. Grabner - NHM Wien)
Nachdem wir den ersten Testlauf im Fellboot erfolgreich absolviert hatten, ging es nochmal an den Feinschliff. Die ausgesteifte Kuhhaut stand an manchen Stellen zu sehr über und war darüber hinaus noch gar nicht mit dem Weidengestell verbunden. Ich machte mich also daran die Haut auf Rahmenhöhe runterzuschneiden und flickte die letzten kleinen Löcher mit dem Gemisch aus Fichtenharz und Bienenwachs. 

Für eine Kurzdokumentation der BOKU Wien
wurde der Herstellungsprozess gefilmt.
(Bild: M. Grabner - NHM Wien)
Am Morgen des 24. August war es dann soweit. Das Fellboot wurde aus dem Salzberghochtal an den Hallstätter See verfrachtet. Dort haben wir am Ufer die Haut und das Gestell mittels Pferdehautriemen verbunden und das Boot vor laufender Kamera fertiggestellt. 

Auch das Kamerateam des ORF verfolgt den
Stapellauf gespannt. (Bild: M.Grabner - NHM Wien)
Es waren im Übrigen gleich zwei Kamerateams mit dabei: Sebastian Nemestothy von der Universität für Bodenkultur, der den Bau des Bootes von Beginn an dokumentiert hat und dessen Kurzdokumentation bald auf den Youtube-Kanälen der BOKU sowie des NHM Wien zu sehen sein wird. 

Das zweite Filmteam drehte im Rahmen eines Dokumentationsfilms über das Naturhistorische Museum Wien drei Tage lang bei uns am Salzberg. Die Doku läuft demnächst auf ORF und 3Sat. 

Also Ahoi! Und raus auf den See. Das Ergebnis der sich über mehrere Wochen ziehenden Arbeit kann sich sehen lassen. Unser Fellboot schwimmt, inklusive zwei erwachsener Personen und trägt in diesem
Ohne Probleme trägt das Fellboot zwei
Personen über den Hallstätter See -
die Drohne nimmt jedes Detail auf.
(Bild: M. Grabner - NHM Wien)
Falle rund 150 Kilogramm. Beachtenswert ist dabei der geringe Tiefgang des Bootes. 

Die Überlegungen, ob der prähistorische Salztransport auf diese Weise stattgefunden haben könnte, werden nicht im Keim erstickt, unsere Hoffnungen nicht enttäuscht. Vielleicht wagen wir uns in einer nächsten Versuchsreihe und mit etwas Raftingerfahrung dann auch mal, mit Kernsalz beladen, auf die Traun.

von Jonas Armbruster

Das zufriedene Team vom Naturhistorischen Museum Wien und der Universität für Bodenkultur nach der geglückten Jungfernfahrt vor der malerischen Kulisse von Hallstatt. (Bild: M. Grabner - NHM Wien)



Donnerstag, 5. September 2019

Hallstatt im Freien Radio Salzkammergut

Bei der heurigen "Archäologie am Berg" war auch das Freie Radio Salzkammergut wieder mit von der Partie und hat sich die Stationen von Bast zwirnen über Salz sieden, Fellboot und Bronze gießen bis zur VR Brille angesehen, besser gesagt, angehört.
Die Sendung inklusive Interviews von Ausgrabungsleiter Hans Reschreiter, Anthropologin Doris Pany-Kucera, Den Experimentalarchäologen Frank Trommer, Martin Hees und Anne Reichert, sowie Holzforscher Michael Grabner kann man unter diesem Link nachhören.
Wir freuen uns auf jeden Fall sehr und danken für diese gelungene Sendung.

Hans Reschreiter beim Interview über die Forschungen in Hallstatt, zwischen Stiegenrekonstruktion und Fellboot. (Bild: D. Brandner - NHM Wien)

Dienstag, 3. September 2019

Zu Besuch in der Bronzezeit

In den Forschungsstollen
vergisst man schnell, wie alt
und einzigartig das
umgebende Material ist.
(Bild: D. Brandner - NHM Wien)
Die exzellenten Erhaltungsbedingungen für menschliche Hinterlassenschaften im Salzbergwerk von Hallstatt erlauben einen tiefen Einblick in Bereich des prähistorischen Lebens, welche uns normalerweise verborgen bleiben und machen es so zu einer der faszinierendsten uns bekannten archäologischen Fundstellen. Dementsprechend groß war die Begeisterung, als der leitende Archäologe der dortigen Ausgrabung Mag. Hans Reschreiter uns – die drei Archäologiestudenten Michael, Sebastian und Felix – zu einem dreitägigen Praktikum nach Hallstatt einlud. 

Am 20.08.2019 kamen wir in der Unterkunft der in Hallstatt arbeitenden ArchäologInnen an. Diese befindet sich direkt am Berg in unmittelbarer Nähe der Stollen, in denen Forschung betrieben und vermittelt wird. Nachdem wir uns eingerichtet hatten, erhielten wir in der Fundverwaltung einen ersten Einblick in das Spektrum der materiellen Hinterlassenschaften aus dem Salzbergwerk. Dabei treten die Funde in so großen Mengen auf, dass man beim Sortieren der Leuchtspäne Gefahr läuft, zu vergessen, dass eben jenes Stück Holz, dass man gerade in der Hand hält, vor ungefähr 3000 Jahren von einem prähistorischen Menschen verwendet wurde. Ein unglaublich faszinierender Gedanke! 


Der Presslufthammer ist das
Mittel der Wahl bei den
Ausgrabungen im
Salzbergwerk von Hallstatt.
(Bild: D. Brandner - NHM Wien)
Später durften wir bei der Vorbereitung der geophysikalischen Prospektion im Kaiser-Josef-Stollen helfen. Anhand elektrischer Widerstandsmessungen gelangt man nämlich an Erkenntnisse über die Art von Gestein und Sediment – es wird sozusagen versucht, den Berg zu „röntgen“. 

Am nächsten Morgen ging es weiter zur bronzezeitlichen Ausgrabung im Christian-von-Tusch-Werk. Dort beteiligten wir uns am Errichten der Infrastruktur für die anstehenden Grabungsarbeiten. Dies umfasste unter anderem die Vorbereitung der Presslufthämmer. Die üblichen archäologischen Werkzeuge wie Kellen und Schaufeln sind dem Verfüllungsmaterial des prähistorischen Bergwerks nämlich nicht gewachsen. 

Dieses besteht aus einer durch Bergdruck stark komprimierten Masse aus Gips, Lehm, Salz und Funden. Mithilfe des Presslufthammers gelingt es jedoch, Stollen in dieses feste Sediment zu treiben, wie es derzeit in einer urgeschichtlichen Abbauhalle der Fall ist. So ist es den Forschern möglich, die Schichten dieses ungefähr 25x50 Meter großen und 8 Meter hohen, verschütteten Raumes von „unten nach oben“ zu ergraben – eine Richtung, die man als Archäologe ansonsten nicht gewöhnt ist. 


Im Heidenbgebirge, das
vor allem aus abgebrannten
Leuchtspänen besteht,
versteckt sich noch so
manch anderer Fund.
(Bild: D. Brandner - NHM Wien)
Den Nachmittag verbrachten wir hauptsächlich damit, aussagekräftige Funde aus dem abgebauten Material zu sortieren. Den größten Anteil der menschlichen Hinterlassenschaften im Bergwerk bilden dabei Objekte aus Holz, vor allem Leuchtspäne. Ein entscheidendes Kriterium für die Bedeutung solcher Funde ist die Anzahl der erhaltenen Jahresringe: Sind es genügend kann man bei erhaltener Waldkante das Jahr, in dem der Baum gefällt wurde, bestimmen. Neben Leuchtspänen kamen auch Pickelfragmente sowie Lederstücke und Grasschnüre zum Vorschein. 

Den krönenden Abschluss unseres Aufenthalts in Hallstatt bildete eine äußerst informative Führung von Mag. Hans Reschreiter durch das Salzbergwerk. So erhielten wir zu guter Letzt noch einen Einblick in die Erkenntnisse, die sich aus den Funden und Befunden, mit denen wir die vergangenen Tage gearbeitet hatten, über den prähistorischen Alltag im Bergwerk gewinnen lassen. Besonders beeindruckend waren dabei die Werkzeuge, welche sich von allen anderen zu dieser Zeit grundlegend unterscheiden und teilweise auch eine komplett andere, auf den Salzabbau und -transport zugeschnittene Technik, anders als in anderen Bergbauen, vermuten lassen. 

Während unseres Aufenthalts war es nicht zu übersehen, dass im Salzbergwerk von Hallstatt großer Wert darauf gelegt wird, in Sachen Forschung und Vermittlung immer auf dem neuesten Stand zu sein. Man darf also wirklich gespannt sein, welche Erkenntnisse uns dieser einmalige Fundort noch über das prähistorische Leben liefern wird.


von Sebastian Kampel, Felix Lettner und Michael Schwarz

Die hochmotivierten Praktikanten vor dem Mundloch des Kaiserin-Christina Horizontes in Hallstatt. (Bild: J. Armbruster - NHM Wien)