Zurück zur Frage, wozu wir eigentlich ein Boot bauen: In den urgeschichtlichen Bergwerken von Hallstatt wurde viel Salz abgebaut. Durch die Rekonstruktion der Abbauhallen können wir ziemlich genau deren Volumen bestimmen und durch die dendrochronologischen Analysen des Holzes den Zeitraum, in dem produziert wurde. Das Volumen, das pro Tag abgebaut wurde, entspricht etwa dem Gewicht von einer Tonne Salz. Wie dieses Salz aber von Hallstatt wegtransportiert wurde, davon haben wir noch keine Ahnung.
Wurde das Salz von Menschen getragen? Kamen Lasttiere zum Einsatz? Oder gab es ganz andere Transportmittel? Die umweltarchäologischen Daten zeigen, dass der Wasserweg eine zentrale Rolle im prähistorischen Transportwesen von Hallstatt spielte, wie er es auch noch bis vor wenigen Jahrzehnten tat.
Wie so oft brachte uns ein ethnografischer Vergleich auf eine Idee, die auch in der Urgeschichte durchführbar und sinnvoll gewesen wäre, diesmal aus Irland. Dort kamen bis in die Zwischenkriegszeit Fellboote zum Einsatz, wie wir es gerade nachbauen. Eines davon ist in einer Werft in Kork ausgestellt (Hans Reschreiter und Kerstin Kowarik berichteten im Archäologieblog von derstandard.at). Urgeschichtlichen Belege dafür finden wir auf syrischen Malereien und für unsere Breiten wollen wir vor allem Möglichkeiten aufzeigen und neue Denkwege eröffnen.
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Jonas beim Enthaaren der Kuhhaut. Dies macht sie gleich um mehrere Kilo leichter. (Bild: H. Reschreiter - NHM Wien) |
Doch zurück in die Werkstatt: als wir am Nachmittag nach dem Einlegen in Kalklösung die Kuhhaut besichtigten, waren wir überrascht: Die Haare ließen sich bereits beim Schaben mit den bloßen Fingern lösen. Da sich der Tag allerdings schon dem Ende neigte, verschoben wir das Enthaaren auf den folgenden. Die Kuhhaut lag, wie die Tage zuvor, wieder auf dem Tisch in der Tierpräparation. Heute allerdings auf der anderen Seite.
Mit Schabern bewaffnet machten Hans Reschreiter und ich uns ans Werk. Es warteten wieder sechs Quadratmeter darauf bearbeitet zu werden. Das Enthaaren ging deutlich schneller vonstatten, sodass wir nach drei Stunden die nackte Haut vor uns liegen hatten. Der Kalk musste noch runter. Also hoben wir sie wieder mit einem Kran in die große Wanne und schwämmten sie aus, bis das Wasser klar war. Anschließend hängten wir die Haut auf eine Stange, die wir am Kran befestigten, wo sie für die nächsten Stunden etwas Feuchtigkeit verlieren sollte. Bis zur Abfahrt zur Archäologie am Berg in Hallstatt, dauerte es noch ein paar Tage und bis die Haut weiter verarbeitet werden sollte noch ein paar mehr. Wäre die Haut nun zu sehr getrocknet, bekämen wir sie nachher nicht mehr in die gewünschte Form.
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Die Korbflechter Erwin Jaworsky und Harrit Karner beim Biegen der Weidenkonstruktion. (Bild: H. Reschreiter - NHM Wien) |
Deshalb wurde sie im leicht angetrockneten Zustand konserviert. Wir breiteten sie im Hof aus und stellten fest, dass sie, wie erwartet, schon etwas kleiner geworden ist. Nun sind es vielleicht noch fünf Quadratmeter. Wir rollten die Haut auf und gaben sie in die Tiefkühlkammer, wo sie, bis es nach Hallstatt gehen sollte, aufbewahrt wurde.
Am 14. August war es dann so weit: Den ganzen Vormittag lang wurde alles, was in den nächsten sechs Wochen im Hochtal über dem Hallstätter See gebraucht wird in Busse geladen, bis sie randvoll waren. Sie waren wirklich randvoll, sodass wir das Kuhfell auf den Gepäckträger schnallen mussten. So ging es dann am frühen Nachmittag los Richtung Hallstatt, wo wir, am frühen Abend angekommen, die Busse ausluden und uns im wahrscheinlich coolsten archäologischen Grabungsquartier in ganz Österreich einrichteten. Das Fell kam am nächsten Morgen erst vom Dach und von dort direkt auf das geflochtene Weidengestell, das Hans Reschreiter bereits im Mai zusammen mit den steirischen Korbflechtern Erwin Jaworsky, Harrit Karner und Archäotechniker Eike Mahrdt gebaut hatte.
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Angeregte Diskussionen um das fast fertige Fellboot auf der "Archäologie am Berg". (Bild: D. Brandner - NHM Wien) |
Die Feuchtigkeit der Kuhhaut war zum Glück noch hoch genug, dass sie sich gut an die Form des Gestells anpasste. Wir fixierten das Ganze mit einer Schnur und ließen es in diesem Zustand austrocknen, wodurch die Haut aussteifte und sich an die Form des Korbes anschmiegte.
Perfekt ist es noch nicht. An einer Stelle ist ein kleines Loch, an einer anderen ist die Haut etwas zu klein. Damit es wirklich wasserdicht ist und wir uns damit aufs Wasser wagen können, müssen wir nochmal nacharbeiten, wir werden natürlich darüber berichten.
Unser Boot ist eine Idee, die wir letztes Wochenende auch bei der „Archäologie am Berg“ mit den Besuchern diskutiert haben. Was habt ihr für Ideen, wie der Transport vor über 3000 Jahren ausgesehen haben könnte? Glaubt ihr unser Fellboot wäre geeignet größere Mengen Salz über den Hallstätter See und die Traun zu transportieren? Diskutiert gerne in den Kommentaren mit uns zu diesem spannenden Thema.
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Sogenanntes "currach", ein irisches Fellboot, gesehen in einer Werft in Kork. (Bild: H. Reschreiter - NHM Wien) |