Freitag, 27. Mai 2016

Unvergleichlich! - Das Erbe Hallstatts


Über die neun UNESCO-Welterbestätten in Österreich haben wir vor Kurzem bereits berichtet. Heute wollen wir einen genaueren Blick auf die UNESCO-Welterberegion rund um Hallstatt werfen.

Man kann es nicht oft genug sagen: Hallstatt ist einzigartig und faszinierend. Aber nicht nur der Ort selbst wurde von der UNESCO unter Schutz gestellt, sondern die gesamte Region Hallstatt-Dachstein-Salzkammergut. Und zwar sowohl als Weltkultur- als auch als Weltnaturerbe. Weltweit wurde bislang nur 20 Regionen diese zweifache Auszeichnung zugestanden.

Der Hallstätter See und seine
Umgebung (Bild: Luftbildarchiv Inst.
f. Urgeschichte u. hist. Arch.)
Hier, im inneren Salzkammergut, zeigt sich eine unvergleichliche Mischung aus landwirtschaftlich und kulturhistorisch bedeutender Region. Geologische Karstformationen und Höhlenlandschaften, aber auch die hiesige Flora und Fauna machen den Dachstein und seine Umgebung seit jeher zu einem beliebten Objekt für Forscher, Maler und Literaten. Namen wie Franz Steinfeld, Georg Waldmüller, Adalbert Stifter, Franz Grillparzer und Friedrich Simony sind eng mit der Geschichte der Region verbunden. So verwundert es kaum, dass das seit jeher auch bei Monarchen beliebte Erholungsgebiet bis heute zum Touristenmagnet avancierte.

Zwar betrachten wir Archäologen sie meist unter anderen Aspekten, aber auch uns entgeht die Schönheit der Landschaft rund um Hallstatt nicht.
Natürlich wird es wohl das Salz gewesen sein, dass schon vor mehr als 3000 Jahre Menschen dazu gebracht hat, sich hier anzusiedeln.
Der Abbau dieses Salzes prägte seit jeher sämtliche Aspekte menschlichen Wirkens in dieser Region. Spätestens in der Eisenzeit ist dann nicht nur ein florierender Bergbau sondern ein ebenso gut organisierter Handel des wertvollen Rohstoffs fassbar. 

Dass das Fremde schon in der Urgeschichte nach Hallstatt lockte, ist anzunehmen, sicher belegen lassen sich zumindest Gegenstände aus weiten Teilen der damals bekannten Welt. Das Fremde hat also in Hallstatt Tradition. Das vergisst man leicht, wenn man durch die im Sommer oft übervollen Straßen geht. Die Besucher kommen heute allerdings weniger wegen des Salzes, wobei sie sich in der Regel eine Besichtigung des ältesten noch produzierenden Salzbergwerkes der Welt in den Salzwelten Hallstatt, nicht entgehen lassen. 

Die Schädel im Beinhaus von Hallstatt
(Bild: Jitka Erbenová)
Für die oft aus Asien stammenden Touristen ist darüber hinaus aber besonders der historische Ortskern Hallstatts sehenswert. Die Erscheinung dieses 800-Seelen-Ortes begeistert offensichtlich so sehr, dass in China mittlerweile sogar ein kompletter Nachbau (inklusive Hallstätter See) existiert. Kopiert wurden auch die beiden Kirchen Hallstatts, an denen sich eine Besonderheit des Salzkammerguts zeigt:  Das Nebeneinander  von römisch-katholischen und evangelischen Gemeinden im selben Ort. 

Die evangelische Kirche liegt direkt am Seeufer neben der Anlegestelle der Fähre, die die mit der Bahn anreisenden Besucher über den See in den Ort bringt. Die katholische Kirche hingegen mit ihrem kleinen Friedhof und dem Beinhaus thront gewissenmaßen über dem Ort. Im Beinhaus ist noch heute eine Tradition zu sehen, die nicht nur bei Menschen aus Asien anfangs Befremden auslöst: Die dort gelagerten rund 1000 Schädel sind nämlich vielfach mit Namen gekennzeichnet und oft kunstvoll bemalt. 

Leider wurde ein Großteil des mittelalterlichen Stadtkerns bei einem großen Brand im Jahr 1750 zerstört. Die Bebauung soll damals so dicht gewesen sein, dass die Wege des Ortes zum Teil über die Dachböden der Häuser führten. Das traumatische Ereignis, bei dem auch Menschen zu Tode kamen, hat sich tief in das Bewusstsein des Ortes eingeprägt, der heute im späten Barockstil wieder aufgebaut, aus fast jeder Perspektive postkartentaugliche Ansichten bietet.

(von Carmen Löw und Fiona Poppenwimmer)
 

Der historische Ortkern von Hallstatt (Bild: Carmen Löw)

Donnerstag, 19. Mai 2016

Von alten Schriften und neuen Ideen – Der bronzezeitliche Bergbau im Appoldwerk

12. Feber 1879: „Nach vollständiger Ableerung des Werkes war an der linken Ulm desselben in einer Länge von 50 Metern Tagletten untermischt mit verschieden großen Kalksteinen, angebrannten Holzspännen, u. runden Bauholz- oder Rüstholz, nebst einem Zusickern von vollgrädiger Salzsoole zu beleuchten.“, so lautet ein Eintrag im Werkerfaszikel des Appoldwerkes.

Der Bericht über die Ausgrabung im Appoldwerk
an das K. K. Finanzministerium
Und mit diesem Eintrag beginnt auch eine der ältesten und am Besten dokumentierten Untersuchungen eines prähistorischen Grubenbaus im Hallstätter Salzbergwerk. Den beiden Verantwortlichen seitens der Saline, Josef Stapf und Bartholomäus Hutter, ist es zu verdanken dass nicht nur ein ausführlicher Bericht über den Zustand des Laugwerkes an die vorgesetzte Behörde verfaßt, sondern auch, dass dieser Aufschluss durch mehrere Stollen in verschiedene Richtungen erstmals systematisch untersucht und durch Isidor Engl in Plänen festgehalten wurde. 

Die Dokumentation der 1879/80 durchgeführten Ausgrabung ist selbst heutzutage durch ihre Detailgenauigkeit immer noch vorbildlich zu nennen. So werden nicht nur die aufgefundenen Artefakte genauestens beschrieben. Auch der Verbruch, das eingedrungene Tagmaterial und der Verlauf des vorgeschichtlichen Baues wurden untersucht. 

Obwohl das Werk schon 1890 nicht mehr zugänglich war, kann mithilfe dieses Berichtes das Appoldwerk mit anderen Fundstellen verglichen werden. Die jüngste Bearbeitung erfolgte durch Fritz Eckart Barth und Wolfgang Neubauer und liegt in der Publikation Appoldwerk Grabung 1879/80 aus dem Jahr 1991 vor.
Wird der Grubenbau im 19. Jahrhundert noch als keltisch beschrieben, so wissen wir heute, dass das Appoldwerk zur sogenannten Nordgruppe gehört und damit in die Bronzezeit zu datieren ist.

Nachgewiesene (dunkelgrün) und
vermutete (hellgrün) Baue
im Bereich des Appoldwerks
(Bild: NHM Wien)

Angeregt durch frisch gewonnene Erkenntnisse aus dem Christian von Tusch Werk, welches ebenfalls in die Bronzezeit datiert, sah ich mir die alte Publikation nochmal an, in der Hoffnung dort Hinweise zu finden die uns bei unserer derzeitigen Ausgrabung helfen könnten. Welche Gemeinsamkeiten gibt es, worin unterscheiden sich diese beiden Fundstellen, welche Beobachtungen wurden damals gemacht, die wir vielleicht übersehen haben und hatten die beiden Ausgräber möglicherweise Ideen oder hatten sie Fragen die wir uns bisher nicht gestellt hatten? 

Nach einem genaueren Blick auf die Pläne erfolgte schon mal das erste große Aha-Erlebnis. Da sind doch eindeutig Stiegenteile im Schachtverbruch. Im Text werden sie gar nicht beschrieben, gleichen aber eindeutig den im Christian von Tusch Werk gefundenen Auftritt- und Distanzbrettern. Also beschränkt sich diese Technologie nicht nur auf eine Fundstelle. 

Außerdem ist dieser Holzhaufen um ein vielfaches größer als der im Tusch Werk. Stapf und Hutter gingen davon aus dass sich der Schacht durchgehend bis auf die Oberfläche zog, auch Barth vertritt mehr als hundert Jahre später diese Meinung. Dafür ist der Verbruch in unserer heutigen Grabungsstelle viel zu klein. Die gefundenen Bauhölzer und Stiegenteile reichen gerade mal für drei bis vier Plattformen im Schacht und dieser ging sicher nicht durchgehend bis an die Oberfläche, wahrscheinlich gerade mal bis zur zwölf Meter darüber liegenden Abbauhalle. 

Während wir im Tusch Werk auf eine große Abbauhalle treffen so wurde das Salz im Appoldwerk in schlauchförmigen Vortrieben, ausgehend vom Hauptschacht, abgebaut mit „nur“ sieben Meter Breite und einer Mindestlänge von zwölf Metern. Grund für diesen Unterschied ist, dass sich das Tuschwerk in salzreicherem Gebirge befindet und die alten Bergleute dadurch die Möglichkeit hatten gewaltige Galerien aufzufahren, während sie sich im Appoldwerk durch salzarmes Gebirge arbeiten mussten und den gefundenen Kernsalzzügen folgten. Die bronzezeitlichen Bergleute passten sich also der Situation im Gebirge an.

Nachgewiesene (dunkelgrün) und
vermutete (hellgrün) Baue
im Bereich des Christian von Tusch Werks
(Bild: NHM Wien)
Das sind nur ein paar wenige Beispiele wie uns ältere Forschungsarbeiten dabei helfen können das Gesamtbild Hallstatt besser zu verstehen oder uns einen anderen Blickwinkel auf die Fundumstände gewähren. Es zeigt uns auch, wie wichtig eine gute Dokumentation der Grabung ist. Auch nach mehr als 130 Jahren findet der Bericht des Appoldwerks noch Verwendung in unserer Forschung. 
Moderne Methoden, andere Denkansätze und zusätzliche Entdeckungen verändern laufend unser Bild des prähistorischen Bergbaus. Trotzdem zahlt es sich aus einen Blick nach hinten zu werfen und alte Untersuchungen neu zu überdenken. Wir können ja nie wissen, wie viel daraus zu lernen ist und wir sollten nie vergessen dass unsere moderne Forschung auf der alten aufbaut. 

Gern würde ich mir mein eigenes Bild über das Appoldwerk machen, da aber leider der Berg Stück für Stück die Fundstellen unzugänglich macht, ist das leider nicht mehr möglich und die Pläne, Zeichnungen, Beschreibungen und die wenigen Funde sind das Einzige, was übrig geblieben ist von einer der faszinierendsten bronzezeitlichen Fundstellen. 

Umso wichtiger ist es, die noch Zugänglichen für die Zukunft zu erhalten. Vielleicht kann dann in 130 Jahren ein Archäologe mit unserer Dokumentation an genau derselben Stelle stehen, wo wir arbeiten und mit neuen Ideen, neuen Methoden, neue Fragestellungen genau dort ansetzen wo wir aufgehört haben. Aus alt mach neu, wie man so schön sagt. 

(von Christian Seisenbacher)

Plan des prähistorischen Grubenbaus im Appoldwerk angefertigt von Isidor Engel 1880 (Bild: NHM Wien)

Samstag, 14. Mai 2016

Alles neu, macht der Mai! - Schon wieder eine Woche vorbei


Schon ist die Woche in Hallstatt und damit die Mai-Kampagne für uns wieder vorbei. Der letzte Arbeitstag und ein Ausblick auf die Grabung im Herbst. (Red.)

Einzeichnen der Schichtverläufe im Profil
(Bild: G. Raab - NHM Wien)
Am letzten Tag unserer Kampagne konnten wir uns nochmal ausführlich dem Christian von Tusch Werk widmen. Die im Herbst 2015 fotografierten Profile haben wir ausgedruckt und mit dieser Grundlage an der Fundstelle nochmal die genauen Schichtverläufe eingezeichnet. 

Auch die Diskussion um die ziemlich komplizierte Befundlage haben wir wieder aufgenommen, um ein bisschen mehr zu verstehen, wie der bronzezeitliche Bergbau funktionierte und wie sein Niedergang erfolgte. Dabei tragen die entzerrten Profilpläne und das schematische Umzeichnen der verschiedenen Ablagerungsschichten vor Ort wesentlich zu diesem Verständnis bei.

Die Vortriebe wurden wieder in Stand gesetzt, auch wenn an einigen Stellen bereits im Herbst wieder Sanierungen zu erledigen sein werden. 

Aber der Berg schläft nun mal nicht.

Die Aufnahme der Fotos für die Fertigstellung der Structure From Motion Modelle wurde heute auch abgeschlossen. Bald werden wir also ein dreidimensionales Modell der gesamten Fundstelle virtuell durchwandern können. Dann können wir auch Details im Befund beobachten, wenn wir nicht vor Ort sind und zum Beispiel von Wien aus die Befundklärung weiterführen.


Ansonsten läuft die Planung für die große Kampagne im Herbst und die direkt davor stattfindende „Archäologie am Berg“ auf Hochtouren.

Wir halten euch auf dem Laufenden. Jetzt müssen wir uns erst mal wieder vom Hallstätter Hochtal verabschieden und freuen uns schon darauf, im Herbst wiederzukommen. 
(von Fiona Poppenwimmer)

Gerald Raab beim Fotografieren der Profile für die 3D Modelle (Bild: D. Brandner - NHM Wien)

Freitag, 13. Mai 2016

Alles neu macht der Mai! - "Ich werd auch Archäologin!"


Wie jeden Mai, kamen auch gestern wieder Schulklassen zu uns auf den Hallstätter Salzberg. (Red.)

Einführung in die Urgeschichte
(Bild: F. Poppenwimmer - NHM Wien)
Auch dieses Jahr konnten wir wieder eines unserer speziellen Vermittlungsprogramme anbieten. Wenn wir, sowohl im Frühjahr als auch im Herbst in Hallstatt sind, bieten wir Schülern von 6 bis 16 Jahren die Möglichkeit, uns im Hochtal zu besuchen und einen tieferen Einblick in archäologische Arbeit und die Forschung zu bekommen (nähere Informationen zur Anmeldung bei den Salzwelten). 

Diese Vermittlung ist uns vor allem wichtig, da wir damit das Verständnis für unsere Arbeit und die Relevanz archäologischer Fund und Befunde in der nächsten Generation festigen können. Besonders schön ist es, wenn wir es, so wie dieses Mal, mit Schülern aus der Region um Hallstatt zu tun haben. 

Zwei Klassen der Volksschule Ebensee kamen heute zu Gast und wurden gleich mit einer Führung über das Gräberfeld begrüßt. So viel zum rein theoretischen Teil. Während es für die eine Hälfte der Schüler mit zweien von uns gleich weiter in den Berg ging, konnte die andere Hälfte mit einem allgemeinen Einblick in die Urgeschichte anhand von Funden und Werkzeugrekonstruktionen zum Ausprobieren loslegen. 

Mehl mahlen wie in der Urgeschchte
(Bild: F. Poppenwimmer - NHM Wien)
Außerdem konnten sie handwerkliche Tätigkeiten selbst ausprobieren, kleine Rekonstruktionen von Lindenbastseilen anfertigen und den urgeschichtlichen Produktionszyklus von Brot erleben. Vom ganzen Korn ausgehend, mussten die Kinder dazu erst mit Reibsteinen Mehl mahlen, einen Teig anmischen und dann im Lehmofen backen. Wieder einmal waren alle erstaunt, wie viel händische Arbeit hinter etwas für uns so selbstverständlichem wie Brot stecken kann.

Am Nachmittag wurden die Gruppen getauscht. Auch im Berg konnten die Schüler sich an rekonstruiertem Werkzeug versuchen und auf bronzezeitlichem Weg Salz abbauen. Bei einer Führung durch das Christian von Tusch Werk, erfuhren sie mehr über die archäologische Arbeit im Salzbergwerk. Natürlich enthielten wir ihnen einen Besuch bei der Stiegenschaustelle und damit die besonderen Erlebnisse der hölzernen Rutsche und der Fahrt mit dem Grubenhunt im Besucherbergwerk nicht vor.

Wie immer fragten uns die Kinder, unverblümt, ehrlich und interessiert, gnadenlos Löcher in den Bauch. Wozu grabt ihr eigentlich so lange Stollen in den Berg? Wie haben sich die Menschen in der Bronzezeit verständigt? Woher wussten die damaligen Bergleute, wo sie graben mussten? Da mussten wir zum Teil weit ausholen und unsere Arbeit intensiv hinterfragen und begründen. Auch für uns immer wieder sehr aufschlussreich.
 

Nach einem intensiven Tag entließen wir die begeisterten Volksschüler wieder ins Tal. „Ich komm bald wieder. Und ich werd ich auch Archäologin und arbeite dann bei euch mit!“ rief uns eine Schülerin noch zu. Das hören wir gern, für die nächste Generation der Forschung ist anscheinend gesorgt.

(von Fiona Poppenwimmer)

Programm in der alten Schmiede (Bild: F. Poppenwimmer - NHM Wien)