Donnerstag, 28. April 2016

Vortragsankündigung - Sieben auf einen Streich. Neue bandkeramische Brunnen aus Sachsen.

Ein im Block geborgener Brunnenfund
aus Großstolpern (Bild: H. Reschreiter)
Im Oktober letzten Jahres berichteten wir über Harald Stäuble vom Landesamt für Archäologie Sachsen und seine Arbeit zu den frühjungsteinzeitlichen Brunnenfunden. Nun freuen wir uns ankündigen zu dürfen, dass Harald Stäuble heute im Rahmen eines Abendvortrages auf Einladung des Arbeitskreises Neolithikum und Bronzezeit der Österreichischen Gesellschaft für Ur- und Frühgeschichte über die neuesten Erkenntnisse zu diesem Thema berichten wird.

Besonders für die Hallstatt-Forschung sind diese Brunnenfunde insofern spannend, dass auch hier einmalige Erhaltungsbedingungen für bearbeitetes, prähistorisches Holz vorliegen.
Obwohl allein in Sachsen zwischen 1997 und 2010 sechs linearbandkeramische Brunnen aus der zweiten Hälfte des 6. Jahrtausends v. Chr. entdeckt und ausgegraben wurden, kann diese Fundgattung immer noch zu den Sonderfunden gezählt werden. Umso überraschender war das Auffinden von gleich sieben Brunnen der frühen Jungsteinzeit in der Nähe einer einzigen Siedlung, im Jahre 2014.

Für die Forschung ist das aus zweierlei Hinsicht von großer Bedeutung. Wir erfahren einerseits Neues über die Siedlung, anderseits bieten die heute noch ins Grundwasser reichenden Holzbauten auch einmalige Erhaltungschancen für andere leicht vergängliche organische Funde, die sich in den üblichen Siedlungsgruben nicht erhalten haben. Die Brunnen zeigen somit nicht nur das handwerkliche Geschick der frühen Zimmerleute, sondern geben auch wichtige Hinweise zur Rekonstruktion der damaligen Umwelt.


Erhaltung organischer Funde in Brunnen
(Bild: Landesamt f. Archäologie Sachsen)
Harald Stäuble ist seit 1995 Referatsleiter in der Abteilung Archäologische Denkmalpflege im Landesamt für Archäologie Sachsen und zuständig für alle Großprojekte (Autobahn-, Pipeline- und Braunkohlenarchäologie), sowie Gebietsreferent für Leipzig und Leipzig Land. 

Weiters ist er Organisator und Leiter der meisten Ausgrabungen, bei denen frühneolithische Brunnen entdeckt und ausgegraben wurden, zudem spezialisiert in der Archäologie des Frühneolithikums, mit gelegentlichen Exkursen in der Siedlungsarchäologie der Bronze- und Eisenzeit. 

Er ist Leiter des mehrjährigen Projektes der Deutschen Forschungsgemeinschaft zur Aufarbeitung der Bandkeramischen Siedlung in Eythra im Tagebau Zwenkau und seit zwei Jahren Kooperationspartner mit sibirischen Kollegen zu Methoden denkmalpflegerischer Untersuchungen im Rahmen von verursacherbedingten Ausgrabungen und zu Problemen des Übergangs vom „Meso- zum Neolithikum“.
(von Fiona Poppenwimmer und Harald Stäuble)



 

Donnerstag, 21. April 2016

Von Funden und Befunden - Archäologische Dokumentation

In unserer neuen Reihe "Von Funden und Befunden", berichten wir über jene Tätigkeiten in der Archäologie, die vielleicht manchmal von der Öffentlichkeit weniger stark wahrgenommen werden. Was passiert wirklich alles auf einer Ausgrabung? Wo kommen die Funde nach der Bergung hin? Was versteckt sich hinter den Kulissen eines Museums? (Red.)

„Archäologische Maßnahmen stellen häufig irreversible Eingriffe in das überlieferte archäologische Erbe dar. So verbleiben nach einer archäologischen Grabung mitunter unbewegliche Bodendenkmale an Ort und Stelle, zumeist bewegliche Bodendenkmale (=archäologische Fundgegenstände) und immer Dokumentationsunterlagen. Diese Bodendenkmale und Dokumentationen treten in ihrer Gesamtheit an die Stelle der veränderten oder zerstörten Fundstelle, führen deren Quellenfunktion weiter und sind somit als Bestandteile des archäologischen Erbes zu betrachten und zu bewahren.“
                                            - Richtlinien für archäologische Maßnahmen, 2010

Vor allem der Zusammenhang zwischen Fund und
Umgebung zählt (Bild: D.Brandner - NHM Wien)
Diese Prämisse, entnommen aus den „Richtlinien für archäologische Maßnahmen“ des Bundesdenkmalamtes, formuliert prägnant den wichtigsten Grundsatz archäologischer Forschung. Jede Art der Ausgrabung bedeutet nämlich letztendlich in den meisten Fällen eines: die Zerstörung des Befundes durch die Forschung. Innerhalb der Wissenschaften stellt die Archäologie hinsichtlich ihrer wichtigsten Informationsquelle, des Befundes, einen absoluten Ausnahmefall dar. Ein archäologischer Befund kann nun mal nicht, wie beispielsweise eine Schriftquelle, beliebig oft gelesen werden. Nach einmal Lesen ist er weg.
Genauso gehen wichtige Informationen oft verloren, wenn Funde aus diesem Befundzusammenhang gerissen werden. Denn anders als unser aller heimliches Role-Model Indiana Jones, sind Archäologen eben auch an den Hintergründen eines Fundes interessiert und nicht vorrangig an seinem materiellen Wert.

Dementsprechend tragen die AusgräberInnen die immense Verantwortung, diese Zerstörung nicht nur kontrolliert ablaufen zu lassen, sondern auch bestmöglich zu dokumentieren, um so viel Information wie möglich aus dieser Quelle ziehen zu können.
Dieses „bestmöglich“ ist durch die rasche technische Entwicklung naturgemäß einem starken Wandel unterworfen. Digitale Vermessung, Fotodokumentation und dreidimensionale Visualisierung der Befunde sind heutzutage Standard und helfen dabei, die komplizierten Zusammenhänge eines Fundkomplexes darzustellen. 

Um diese Standards der Dokumentation festzulegen und zu vereinheitlichen, wurden vom Bundesdenkmalamt, in Zusammenarbeit mit einem Expertengremium, im Jahr 2010 erstmals die „Richtlinien für archäologische Maßnahmen“ herausgegeben. Darin sind sämtliche Schritte, die zur Vorbereitung, Durchführung und Dokumentation einer Ausgrabung erforderlich sind, festgehalten. Um auf dem Stand der fachlichen Entwicklung bleiben zu können, werden diese Richtlinien regelmäßig überarbeitet und aktualisiert.

Mehr zu den Hintergründen archäologischer Ausgrabungen und speziell der heiklen Frage der Dokumentation gibt es bald hier zu lesen. Zum Beispiel wenn unsere Vermessungsexpertin Julia Klammer über das schwierige Unterfangen berichtet, Befundzeichnungen aus dem Hallstätter Bergwerk um eine Dimension zu erweitern und in ein anschauliches Modell zu verwandeln.
(von Fiona Poppenwimmer und Hans Reschreiter)

Genaueste fotografische Dokumentation des Befundes (Bild: D. Brandner - NHM Wien)

Kleines Archäologie-Lexikon: "Befund"
nach Felgenhauer: "Feststellungen über die Beziehung der einzelnen Funde zueinander und ihre Lagerung im Boden, aber auch dokumentierte Belege ursprünglich körperhafter Gegenstände, die vergangen und nur mehr als Verfärbungen ..., Abdrücke oder Hohlräume im umgebenden Erdboden zu erkennen sind, ebenso aber auch nur während der Ausgrabung sicht- und nicht erhaltbare  oder nur zu rekonstruierende Bauten, Anlagen und dergleichen mehr."
Mehr dazu beispielsweise auf Wikipedia nachzulesen.


Donnerstag, 14. April 2016

Interdisziplinär - Gewinnung einer Rohhaut

Der versprochene Axishirsch aus dem Tiergarten Schönbrunn ist für mich bereitgestellt und in Begleitung eines Fotografen beginne ich mit der Arbeit an dem Tier, das seine erste Lebenswoche leider nicht überstanden hat.
Zunächst muss die Haut des Tieres entfernt werden. Mit dem Messer löse ich die Haut vom Fleisch, meist ohne viel schneiden zu müssen. Eine Arbeit, die im Wesentlichen sehr an das Hantieren in der Küche mit einem angehenden Brathuhn verglichen werden kann.
Abziehen der Haut (Bild: A. Öcsi)
Nachdem der Hirsch so "aus seiner Decke geschlagen" wurde, bespreche ich mit Herrn Illek, dem Leiter der Abteilung für Präparation des Naturhistorischen Museums, weitere Schritte.

Dann wird die Haut eingesalzen und für 24 Stunden liegen gelassen. Ein Vorgang, der den folgenden "Feinschnitt" erleichtert, aber auch eine Zwischenlagerung über mehrere Tage hinweg ermöglicht, bevor mit dem nächsten Arbeitsschritt begonnen wird.

Einen Tag später wird die gesalzene Haut ausgewaschen und anschließend über einen hölzernen "Gerberbaum" gespannt, um die dünne Unterhaut mit einem Messer von kleinen Fleischresten zu befreien. Dieser "Feinschnitt" ist eigentlich eher ein Schaben und erinnert an das Abkratzen eines Papieretikettes von einem Glas. Dabei muss man aufpassen, nicht zu viel Kraft anzuwenden, um die Haut vor Löchern zu bewahren. Trotz der verhältnismäßig kleinen Haut ein Prozess, der etwa zwei Stunden in Anspruch nimmt.

Entfernen kleiner Hautreste, der Feinschnitt (Bild: A. Öcsi)
Herr Illek sieht sich das Ergebnis an und bestätigt mir, dass er auch nicht viel kürzer gebraucht hätte. Er sieht sich die blankgeschabte Rückseite an und konstatiert mir schmunzelnd "sehr saubere Arbeit, du kannst gleich bei uns anfangen!"

Um die Haut vor Fäulnis zu schützen und auch als Schauobjekt haltbar zu machen, wird sie zunächst in einem Gemisch aus chemischem Insektenschutzmittel und Wasser für zwei Stunden eingelegt und anschließend in einem Holzrahmen eingespannt. Dazu werden in die Ränder der Haut Schlitze geschnitten, an denen sie in einen Holzrahmen eingeschnürt und schließlich vollständig gespannt werden.
Ein vorbeieilender Ornithologe wirft mir einen etwas verwunderten Blick zu. In seinen Armen hält er achtsam und respektvoll das Präparat eines recht großen exotischen Vogels, dem er sich schließlich wieder widmet und seinen Weg fortsetzt.

Die fertig aufgespannte Haut (Bild: A. Öcsi)
Die Haut ist nun fertig aufgespannt und trocknet für mehrere Tage an der Luft. Als ich eine Woche später wiederkomme, ist aus der elastischen, weißen Haut ein halbdurchsichtiges steifes Material geworden. Meine Befürchtung, die Schrumpfung könnte ein Ausreissen der Schnürung bewirken, bestätigt sich zum Glück nicht.

Vor mir hängt ein sauber getrocknetes Stück Rohhaut. Die gesammelten Eindrücke ermöglichen mir in der Zukunft die Formulierung von Fragestellungen in Experimenten. Eine Frage wird kaum gestellt werden müssen: woher nahmen die Hallstätter eigentlich ihr Salz zum Bearbeiten der Rohhaut?
Anderen Fragen, wie die nach der Herstellung und Nutzung der Handleder, der Fingerlinge und der Ziegenbalgsäcke aus dem Salzbergwerk Hallstatt, werden uns da wohl vor größere Herausforderungen stellen. 
(von Daniel Breineder) 


Donnerstag, 7. April 2016

Frühlingserwachen


Alle Jahre wieder wird es auch in Hallstatt Frühling.
Damit öffnen in wenigen Tagen auch die Salzwelten Hallstatt wieder ihre Pforten. Ein Jahr ist es also schon her, dass die bronzezeitliche Holzstiege im Schaubergwerk wieder aufgebaut wurde. Dort ist sie dieses Jahr ab 9. April im Bronzezeit-Kino zu bewundern. Gleichzeitig eröffnen die Salzwelten kommenden Samstag ihr neues Besucherzentrum an der Talstation der Salzbergbahn, in dem auch die Ausgrabungen des römischen Areals vorgestellt werden. 

Die bronzezeitliche Holzstiege im Salzbergwerk Hallstatt
(Bild: Scenomedia)
Doch nicht nur das Schaubergwerk erwacht aus dem Winterschlaf. Auch für uns Archäologen laufen die Vorbereitungen für die Saison 2016 auf Hochtouren.
Nachdem wir den Winter zum Inventarisieren und Dokumentieren der Funde der letzten Grabungskampagne genutzt haben, geht’s bald wieder ins Feld. 

Bevor wir vor Ort unserer Forschung nachgehen können, muss die Infrastruktur im Hochtal erst wieder hergerichtet werden. Die alte Bergschmiede am Hallstätter Salzberg ist offizielle Außenstelle des Naturhistorischen Museums und wurde von der Salinen Austria AG als Grabungsquartier und archäologisches Zentrum für uns adaptiert. Durch die meist strengen Winter muss „die alte Schmiede“ für mehrere Monate im Jahr stillgelegt, also auch Strom, Wasser und dergleichen abgestellt werden. In wenigen Tagen wird der Strom wieder aufgedreht, die Hauptwasserleitung aktiviert, alle Boiler gefüllt und Waschmaschine und Geschirrspüler aus ihrem frostsicheren Winterquartier geholt.  
 
 
Der Frühling erreicht auch das Hallstätter Hochtal
(Bild: H. Reschreiter)
Während die nächsten Wochen also der Frühling das Hochtal erreicht, wird in Wien bereits der erste Teil der Grabungssaison 2016 geplant. Anfang Mai werden wir wieder eine Woche im Salzbergwerk verbringen. Auch dieses Jahr stehen vor allem die Klärung der im bronze- und eisenzeitlichen Bergbau vorhandenen Befunde als auch die Dokumentation und Erhaltung der Fundstellen im Vordergrund. 

Doch auch dem Umland des Hochtales soll durch Begehungen und Befliegungen mit Drohnen vermehrte Aufmerksamkeit zukommen. Wir sind schon gespannt, welche neuen Erkenntnisse wir diesmal gewinnen werden  können. 
Selbstverständlich werden wir hier im Blog wieder live davon berichten. Also dranbleiben!
(von Fiona Poppenwimmer und Hans Reschreiter)

Das Team des Naturhistorischen Museums Wien freut sich schon wieder auf die Arbeit im Berg (Bild: D. Brandner)