Donnerstag, 31. März 2016

Interdisziplinär - Experimentalarchäologie in der zoologischen Präparation


Die Präparationswerkstatt des
Naturhistorischen Museums Wien
(Bild: A. Öcsi)
Viele der im Salzbergwerk Hallstatt geborgenen, prähistorischen Hauterzeugnisse wurden aus Rohhaut hergestellt. Im Gegensatz zu Leder handelt es sich hierbei um ungegerbte Haut die, wie der Name schon verrät, eben im Rohzustand weiterverarbeitet werden kann. 

Lassen sich Rohhautprodukte noch relativ häufig unter den archäologischen Hautprodukten feststellen, so ist dieses Material in der westlichen Welt heute fast vollkommen verschwunden. Von einigen wenigen Rohhautflechtern, beispielsweise in Südtirol, wird das Material noch gerne verwendet. In Kanada stößt man in ausgewählten Fachgeschäften heute noch auf geflochtene Schneeschuhe aus Elchhaut.

Rohhaut ist frisch gewonnen hochplastisch und dehnbar. Sie kann im Ganzen, (mit Haut und Haar) verarbeitet, in Streifen geschnitten gut gebunden oder geflochten werden. Bei der anschließenden Trocknung zieht sich die Rohhaut zusammen und wird "bock-hart". Ein Prozess, der sich - ganz im Gegensatz zu gegerbtem Material - durch Einwässern umkehren lässt.
Dem mir vertrauten Leder eng verwandt, in seinen Eigenschaften aber doch so anders gilt es nun, mich mit dem mir neuen Material Rohhaut vertrauter zu machen. Welcher Ort könnte dafür geeigneter sein, als die Abteilung für zoologische Hautpräparation des Naturhistorischen Museums?

Befreien einer Haut von kleinen
Fleischresten (Bild: A. Öcsi)
Zusammen mit Hans Reschreiter gehe ich von der prähistorischen Abteilung in die der zoologischen Hautpräparation. Vorbei an erstarrten Pavianen, exotischen Vögeln und einem kopfspringenden Löwen, treffen wir auf Robert Illek, Leiter der Präparation. Die Vorstellung ist kurz und freundlich, ich werde auch gleich dazu eingeladen, übungsweise eine Meerkatze von ihrer Unterhaut zu befreien! Schon übe ich mich im "Feinschnitt", der die dünne Unterhaut von der Haut trennt.

Die Arbeit geht mir gut von der Hand und wir sprechen über anstehende Projekte. Um vorausblickendes Verständnis für zukünftige Experimente zu erlangen, will ich zunächst eine Rohhaut, vom Abziehen des Felles bis zum Einspannen und Trocknen der Haut in einem Holzrahmen, in allen Schritten bearbeiten. Hierzu wird mir ein verstorbenes Hirschjungtier aus dem Tierpark Schönbrunn zugesprochen. Dankbar über die Möglichkeiten, die mir hier geboten werden, verabschiede ich mich und freue mich auf mein erstes anstehendes Projekt!
(von Daniel Breineder)
 
Daniel Breineder und Robert Illek beim Besprechen des weiteren Vorgehens der Präparation (Bild: A. Öcsi)



Donnerstag, 24. März 2016

Es werde Licht - Die Leuchtspäne aus dem Hallstätter Salzbergwerk

Abbrennversuch der Leuchtspäne
aus dem Bergwerk Hallstatt
(Bild: A.W. Rausch)
Im Bergwerk von Hallstatt finden sich Milliarden von abgebrannten Leuchtspänen im Betriebsabfall der prähistorischen Bergwerke.
Durch diesen Betriebsabfall schrämen wir unsere Ausgrabungsstollen. Das abgebaute Material bringen wir an die Oberfläche und schlämmen es, so dass die Leuchtspäne, die gebrochenen Werkzeugteile, die Fell- und Lederstücke und die Textilien freigespült werden. Anke Bacher, zuständig für die Bearbeitung der Funde aus dem Bergwerk, hat in den letzten Jahren viele tausend abgebrannte Leuchtspäne fein säuberlich gereinigt und anschließend getrocknet.

Aber warum nehmen wir tausende Späne mit nach Wien und lagern sie im  Depot des Naturhistorischen Museums – einer sieht auf den ersten Blick wie der andere aus. Zum einen wollen wir wissen aus welchem Holz und aus welchem Baumteil die Späne gespalten sind. Die Kollegen von der Universität für Bodenkultur, Institut für Holztechnologie und nachwachsende Rohstoffe, untersuchen die Späne: fast alle sind aus Tannenholz gefertigt und aus astfreien Stammteilen gespalten. 

Dass die Späne aus Tannenholz gemacht wurden, ist interessant, da dieses Holz harzfrei ist und dadurch nur schlecht brennt. Wir wollten wissen, wie man sie trotzdem zum Brennen bringen kann. Felix Köstelbauer, Daniel Ballner und Hannes Schiel haben sich in ihren Bachelorarbeiten mit dem Abbrennverhalten von Tannenspänen auseinander gesetzt. Gerald Raab und Josef Weichenberger haben zum Teil umfangreiche Versuchsreihen diesbezüglich angestellt. Die Ergebnisse ihrer Arbeiten werden wir zum Teil gesondert vorstellen.

Leuchtspanschicht in einem Forschungsstollen
im Hallstätter Salzberg (Bild: A.W. Rausch)
Neben diesen rein praktischen Fragen wollen wir auch den Verbrauch quantifizieren. In Kooperation mit der Technischen Universität, Institute for Analyses and Scientific Computing, berechnen wir die Anzahl der Leuchtspäne, die für die Arbeit im Bergwerk notwendig war. Dazu nehmen wir immer wieder große Stichproben aus dem Betriebsabfall und zählen (aus genormten Mengen davon) alle darin enthaltenen Späne. Diese Werte dienen uns als Basis um auf den Tagesbedarf an Spänen rückschließen zu können.

Abgesehen davon gibt es noch einen weiteren Grund warum wir uns gerade intensiv mit den Spänen beschäftigen. In der älteren Eisenzeit sind im Betriebsabfall deutliche Ablagerungsschichten erkennbar. Mit Hilfe der Dendrochronologie wollen wir die einzelnen Schichten so genau wie möglich datieren. Nun durchforsten wir tausende Späne, um möglichst viele davon mit ausreichend Jahrringen für die Datierung zur Verfügung zu haben. Sind diese Arbeiten einmal abgeschlossen, wird die Salinen Austria AG ein Betrieb sein, der seine Jahrtausende lange Firmengeschichte zum Teil jahrgenau schreiben kann.

Heute sind die Stollen, durch die die Besucher der Salzwelten Hallstatt zur neuen Schaustelle der Stiege gehen, elektrisch beleuchtet und wir Archäologen arbeiten mit LED-Helmlampen. Wir können uns nur schwer vorstellen, wie das mit schwachem Leuchtspanlicht war.
Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass man aber auch mit viel weniger Licht auskommt, als mit den neuen LED-Lampen, die wir bei der Arbeit am Kopf tragen. Vor 25 Jahren haben wir zum Teil noch mit Karbidlampen gearbeitet – und es war kein Problem. Wenn man nicht weiß, dass man in wenigen Jahren mit über 1000 Lumen hellen Hightech-Lampen unterwegs sein wird, stört einen auch nicht das, im Vergleich dazu, wirklich schwache Licht. Heute möchte ich aber nicht mehr zurück und im Schein der Karbidlampe arbeiten müssen. 
 (von Hans Reschreiter)

Aussuchen von Leuchtspänen für die Datierung im Naturhistorischen Museum Wien
(Bild: H. Reschreiter)

Donnerstag, 17. März 2016

Von Holz zu Holz - Die Holzfunde von der Göge-Alm


Steinhaus im Ahrntal. Im Vordergrund das
Südtiroler Bergbaumuseumim Kornkasten.
Auf der gegenüberliegenden Straßenseite befindet
sich der Göge-Schauraum. (Bild: H. Reschreiter)
Holz war durch viele Jahrtausende der wichtigste Rohstoff des Menschen. Ohne Holz kaum Behausung, kaum Geräte und Werkzeuge, kaum Geschirr. Für die Jungsteinzeit und die Bronzezeit sind wir durch die vielen Holzfunde, die sich unter anderem in den Pfahlbauten und Feuchtbodensiedlungen rund um die Alpen erhalten haben, gut über die Holzkultur informiert. 

Ab der älteren Eisenzeit ist Wohnen am oder im Wasser nicht mehr belegt und es sind daher beinahe keine Objekte aus Holz oder Rinde erhalten. Der kleine Teil der überlieferten materiellen Kultur der Eisenzeiten beschränkt sich auf Objekte aus Keramik, Metall, Knochen bzw. Geweih und Stein. 
 
Nur an ganz wenigen Orten haben sich nennenswerte Fundensembles aus organischem Material ausnahmsweise erhalten. Die bekanntesten sind die Salzbergwerke in den österreichischen Alpen – Hallstatt  und Dürrnberg/Hallein.
Schauraum der Gemeinde Steinhaus i. Ahrntal
zu den Funden Göge Alm.

(Bild: H. Reschreiter - NHM Wien)

Seit über 10 Jahren ist ein weiterer ältereisenzeitlicher Holz-Hotspot bekannt. Auf Göge-Alm im hinteren Ahrntal/Italien wurde ein großer Bestand an im Moor deponierten Holzschaufeln, Kellen und Paletten entdeckt und vom Amt für Bodendenkmäler geborgen. Alle Gegenstände sind angekohlt und werden als Utensilien gedeutet, die im Rahmen von Brandopfern eingesetzt wurden. 

Da die Herstellungspuren an etlichen der Göge-Funde Ähnlichkeiten zu Spuren an zeitgleichen Holzgefäßen aus dem Salzbergwerk Hallstatt aufweisen, wurde von Hubert Steiner vom Amt für Bodendenkmäler beschlossen, die Göge-Funde nach einem ähnlichen Schema wie die Hallstätter Funde aufzunehmen. 


Arbeitsbereich im Denkmalamt Bozen zum
Nachbauen der Göge-Funde. 

(Bild: H.Reschreiter - NHM Wien)
Im Februar erfolgte die Aufnahme dieses faszinierenden Fundensembles im Amt für Bodendenkmäler in Bozen und im Ausstellungsraum in Steinhaus im Ahrntal – der Ausstellungsraum bietet einen sehr würdigen Rahmen für diese einmaligen Funde. Die Arbeitsbedingungen waren ideal – es stand genug Platz zur Verfügung, um alle Stücke auflegen, die Dokumentation ausbreiten und sogar eine kleine Werkstatt zum experimentellen Nachbauen der Stücke aufbauen zu können. 

Die Auswertung dieser Aufnahme wird es ermöglichen den Ablauf der vermutlich rituellen Handlungen auf der 2200 Meter hoch gelegenen Göge-Alm vor über 2500 Jahren genauer beschreiben zu können.
(von Hans Reschreiter)

Angekohlte Holzschaufeln der älteren Eisenzeit von der Göge-Alm im Schauraum der Gemeinde Steinhaus im Ahrntal. 
(Bild: H. Reschreiter - NHM Wien)