Donnerstag, 31. Dezember 2015

Riezingers Bergbuch - Eines unserer heimlichen Highlights 2015

Von außen sieht es recht schlicht aus,
das Bergbuch, das Johann Riezinger
für die Saline in Hallstatt verfasst hat.
(Bild: A. W. Rausch - NHM Wien)
Natürlich war das Jahr 2015 für uns besonders durch die Stiegenübersiedlung in die Salzwelten Hallstatt geprägt, über die wir in diesem Blog ausführlich berichtet haben. Ein kleines, weniger sichtbares Highlight, das uns über das ganze Jahr hinweg beschäftigt hat und das uns immer wieder neu überraschte, wollen wir in diesem letzten Blogpost im alten Jahr aber noch mit Euch teilen: Das Riezinger Bergbuch.




Das Bergbuch des Johann Baptist Riezinger wurde von Eduard Wexberg bei Archäologie am Berg präsentiert. Dieses Buch, das aus dem Jahr 1713 stammt, galt lange als verschollen und wurde vor wenigen Jahren von Dr. Fritz Idam im Zuge der Recherchen für seine Dissertation zur Entwicklung des Ortes Hallstatt in der Bibliothek des Finanzministeriums wieder entdeckt. Da bisher nur bruchstückhafte Abschriften dieser ältesten umfassenden Chronik des Hallstätter Bergbaus im Umlauf waren, beschloss das Naturhistorische Museum Wien den „Riezinger“ hochauflösend durchzufotografieren und an einer transkribierten Faksimileausgabe zu arbeiten. 

Innen ist das Bergbuch von Riezinger aus
dem Jahr 1713 ausgesprochen schön gestaltet.
(Bild: A. W. Rausch - NHM Wien)
Für dieses Unterfangen konnte rasch auch der Hallstätter Johann Unterberger gewonnen werden. Unterberger, der lange für die Saline Austria als Markscheider gearbeitet hat, war prädestiniert für die erste Transkription, da er mit vielen der im Riezinger verwendeten Bergbauausdrücke und Stollen- und Werkerbezeichnungen bestens vertraut ist. Durch ihn wurde sichtbar, was für eine wichtige Quelle das Bergbuch für uns sein könnte. 

Eduard Wexberg ging die Transkription noch einmal durch, mit dem Ziel eine buchstabengetreue Abschrift zu erhalten. Riezinger war aber auch für unseren Eduard, der sich lange hauptberuflich unter anderem mit solchen Transkriptionen befasst hat, eine echte Herausforderung. Da Riezinger kein professioneller Schreiber war und die Rechtschreibregeln in der Bevölkerung damals lange nicht so gut verankert waren, wie das heute der Fall ist, schrieb er recht – nun ja, nennen wir es mal „abwechslungsreich“.
 

Vielfach finden sich für ein und dasselbe Wort ganz unterschiedliche Schreibweisen. Manchmal gilt dies sogar für gleichlautende Worte, die in derselben Zeile stehen, und auch seinen eigenen Namen schrieb er in unterschiedlicher Art und Weise. Es lässt sich deshalb oft nicht sicher sagen, ob ein Wort bei der Transkription wirklich richtig erfasst wurde. Dazu kommt noch, dass Riezinger auch unterschiedliche Arten von Deutsch verwendet hat, neben einem älteren Deutsch verwendet er auch mindestens einen oberösterreichischen Dialekt.

Das Bergbuch von Riezinger besteht aus drei Hauptteilen – der Chronik, den Grubenvermessungslisten und den Grubenplänen. Die acht detailreichen großformatigen Karten, die in großer Qualität hergestellt worden waren und die die verschiedenen Horizonte des Hallstätter Salzbergs vor 300 Jahren darstellen. Diese Karten basieren auf der von Riezinger durchgeführten Vermessung in Kombination mit älteren Daten, die zum Teil aus dem Jahr 1526 stammen.
Alles, was sich im Bergwerk und rund um den Salzberg zugetragen hat, wurde in der Chronik vermerkt und in den Grubenkarten eingetragen. Unter anderen sind dort Feuer und Explosionen verzeichnet. 


„Der Riezinger“ ist aber nicht nur für Historiker von großem Interesse, auch für die Archäologie ist er eine nicht zu unterschätzende Quelle. Wenn man das Bergbuch genau studiert, finden sich immer wieder versteckte Hinweise auf prähistorische Fundstellen, die die Bergleute des Barock zufällig bei ihrer Arbeit entdeckt haben. Da sich auf den Karten Nennungen von prähistorischen Fundstellen finden könnten, wurde auch mit der Transkription derselben begonnen. – Aber mehr dazu im einem der nächsten Postings.
 

(Von Carmen Löw, Hans Reschreiter & Eduard Wexberg)


Ein Blick auf eine der detaillreichen Karten im Riezinger Bergbuch.
(Bild: A. W. Rausch - NHM Wien)

Donnerstag, 24. Dezember 2015

Jetzt geht´s ans Kilbwerk – Die Arbeiten an der Gesamtpublikation beginnen

„In dem mit Amtsgeschäften überfüllten Canale meines Beamtendaseins sind Buchten wissenschaftlicher Sammlung allzu selten.“ 
 
Josef Szombathy an Rudolf Wirchovw, 14. Mai 1892
(Seit vielen Jahrzehnten hängt dieses Zitat in meinem Arbeitszimmer ) 

Modell des Kilbwerks
(Bild: H. Reschreiter - NHM Wien)
Als ich im Jahre 2000 meinen Posten als Direktor der Prähistorischen Abteilung im Naturhistorischen Museum niederlegte und vorzeitig in den Ruhestand übergetreten bin, war einer der Gründe dafür, dass ich einige Altlasten abarbeiten wollte. 

Seit 1961 sind im Salzbergwerk Hallstatt archäologische Ausgrabungen durchgeführt worden, die noch nicht ausreichend publiziert waren und es leider zum Teil noch immer nicht sind. Die Bearbeitung der Grabungen im Kernverwässerungswerk 1981 bis 1997 und der großangelegten Untersuchungen im Grünerwerk 1984 bis 2000 habe ich inzwischen abgeschlossen. Ein paar Expertisen dazu stehen noch aus, die mir jedoch von den damit befassten Kollegen, auf deren Mithilfe ich angewiesen bin, bereits zugesagt wurden. Ich hoffe, sie bald zu erhalten und damit sowohl das Kernverwässerungswerk als auch das Grünerwerk in Kürze endgültig abschließen zu können.

Den größten Brocken, die Grabungen im Kilbwerk der Jahre 1961 bis 1992, habe ich bisher immer vor mir hergeschoben, obwohl schon mehrere Diplomarbeiten mit Material dieser Grabungen abgeschlossen wurden. Das Kilbwerk ist jenes Laugwerk, in dem im Jahre 1734 eine prähistorische Bergmannsleiche gefunden wurde, der legendäre „Mann im Salz“. Diese Tatsache war damals mitentscheidend für die Wahl des Grabungsplatzes durch Karl Kromer. 


In den vielen Jahren der Grabung ist durch ein wendeltreppenartig angelegtes System von Stollen ein nahezu vollständiges Profil von beinahe 30 m Höhe vom Kaiserin Christina Stollen bis hinauf zum Kaiser Josef Stollen entstanden. Der prähistorische Bau ist in einer Breite von 22 Metern und einer Höhe von 20 Metern aufgeschlossen, ohne in irgendeiner Richtung das Ende zu erreichen. Die Erschließung des Befundes ist also höchst komplex. 

Um die verwirrende Lage der Profile zueinander und das Nebeneinander und übereinander der Grabungsstollen besser realisieren zu können, wurde nach einer Idee und mit Hilfe von Hans Reschreiter in den letzten Wochen eine Art Modell erstellt. Kopien der Profilzeichnungen im Maßstab 1: 20 wurden aufkaschiert und im richtigen Abstand zueinander ineinander gesteckt. Dadurch ist es möglich, sich ein authentisches Bild der Gegebenheiten zu machen. 

Ich freue mich auf die Arbeit, die nun vor mir liegt. Ich habe mit meiner Mannschaft viele Jahre im Kilbwerk verbracht. An manchem Papier, das mir nun in die Hände fällt, hängen mehr Erinnerungen als die rein fachlichen. 


(Von Fritz Eckart Barth)

Kilbwerk - Plan der Grabungsstollen (Bild: H. Reschreiter - NHM Wien)





Donnerstag, 17. Dezember 2015

Auf geoelektrischer Pirsch - Ein Interview mit dem Geophysiker David Ottowitz

Situationsfoto einer geoelektrischen Messung
mit Messkabel, Stahlspießen und Mess-
gerät (Steuereinheit).
(Bild: Robert Supper, GBA)
An der Erforschung von Hallstatt wirken viele unterschiedliche Disziplinen mit. Unter anderem führt die Geologische Bundesanstalt im Hochtal spannende geophysikalische Untersuchungen durch, mit deren Hilfe sich vielleicht künftig ehemalige prähistorische Abbaukammern im Salzbergwerk orten lassen. Dies ist einer der ersten Einsätze von geoelektrischen Messungen für archäologische Fragestellungen in solchen Tiefen. Was genau es damit auf sich hat, erklärt David Ottowitz in diesem Interview.

CL: David, kannst Du kurz erklären, was Angewandte Geophysik ist und was das mit Archäologie zu tun hat?
DO: Die Angewandte Geophysik beschäftigt sich vorwiegend mit physikalischen Messmethoden, mit denen man Informationen über den Aufbau und die Struktur des Untergrundes erhalten kann. Archäologische Befunde lassen sich damit ohne größere Erdeingriffe orten.

CL: Welche Methoden gibt es da?
DO: Am bekanntesten unter den geophysikalischen Messmethoden ist eigentlich die angewandte Seismik, die vor allem in der Kohlenwasserstoffexploration zum Einsatz kommt. Dabei werden künstlich angeregte seismische Wellen beobachtet, deren Verhalten beim Durchlaufen des Untergrundes Rückschlüsse auf die Bodenbeschaffenheit zulässt. In Hallstatt arbeiten wir vor allem mit Geoelektrik - einer Methode, die vor allem bei der Untersuchung oberflächennaher Bereiche (bis 200 m) zum Einsatz kommt und insofern auch in der archäologischen Forschung häufig angewandt wird. Damit lassen sich besonders kleinräumige Strukturen ganz gut erfassen.

CL: Was passiert dabei genau?
DO: Bei der Geoelektrik wird die Verteilung des spezifischen elektrischen Widerstandes im Untergrund bestimmt. Einfach ausgedrückt ist diese physikalische Größe ein Maß, wie leicht bzw. schwer der elektrische Strom im Untergrund fließen kann. Um Informationen über diese physikalische Größe zu erhalten, wird über zwei Elektroden elektrischer Gleichstrom in den Boden geleitet, wobei gleichzeitig zwischen zwei weiteren Elektroden in der Nähe die elektrische Spannung gemessen wird. Je nachdem, wie wir die Elektroden anordnen, können wir unterschiedliche Tiefenbereiche untersuchen.

CL: Als Du die Methode bei Archäologie am Berg gezeigt hast, sah das aber ein wenig anders aus.
DO: Ja, in der Praxis werden heutzutage sogenannte Multielektrodensysteme eingesetzt. Hierfür setzen wir entlang einer möglichst geraden Linie in gleichmäßigem Abstand an die hundert Elektroden in den Boden. Diese sind über ein Kabel mit einer zentralen Steuereinheit verbunden. Die Steuereinheit hat nun die Aufgabe, eine große Zahl vordefinierter 4‐Punktanordnungen abzuarbeiten, die eine möglichst optimale Auflösung des Untergrundes entlang des Messprofils gewährleisten. Schlussendlich wird aus der großen Anzahl der einzelnen Spannungsmessungen ein 2 dimensionales Modell des spezifischen elektrischen Widerstandes des Untergrundes entlang des Messprofils erstellt. Hierbei können Informationen aus einer Tiefe gewonnen werden, die etwa einem Fünftel der Messprofillänge entspricht, d. h. bei einer Länge von z.B. 200 m erhält man Informationen bis zu einer Tiefe von 40 m.

CL: Und wofür setzt Ihr dieses Verfahren in Hallstatt nun ein?
DO: Es scheint, dass wir damit im Salzberg Abbaukammern der prähistorischen Salzbergwerke orten können, die durch Massebewegungen verfüllt wurden. Es gibt im Hallstätter Salzberg ja neben den Abbaukammern, die durch den Bergdruck wieder fest verschlossen wurden auch solche, in die Oberflächenmaterial eingedrungen ist, z. B. durch Muren. Bislang können die Archäologinnen und Archäologen nur jene Fundstellen untersuchen, die durch den Salzbergbau der Neuzeit zufällig entdeckt wurden und deren Lage man daher also kennt. Wenn die Messmethode aber tatsächlich funktioniert – und danach sieht es zurzeit aus -, dann könnte man bald bisher unbekannte prähistorische Abbaureviere entdecken und in weiterer Folge gezielt erforschen. Es wird vielleicht auch möglich sein, die Ausdehnung der schon bekannten Bergbaue der Bronze– und Eisenzeit wesentlich genauer zu bestimmen, als das bislang möglich ist. Diese Informationen bezüglich Ausdehnung und Geometrie können dann unter anderem für detaillierte Computersimulationen zu den Arbeitsabläufen und zur Jahresproduktion der Hallstätter Bergbaue vor über 2500 Jahren genutzt werden.


(Von David Ottowitz & Carmen Löw)
 
Repräsentatives Ergebnis der Geoelektrik (unten), gemessen über einem bekannten Einsturztrichter im Hallstätter Hochtal. Deutlich zu sehen ist die Korrelation zwischen dem schematisch dargestellten Einsturztrichter (oben) und der entsprechenden Anomalie im elektrischen Widerstand (grüne bis rot Farbe, unten). Dies entspricht dem Material, das beim Verschütten der prähistorischen Bergbaubereiche in größere Tiefen vorgedrungen ist. (Grafik: Geologische Bundesanstalt)