Donnerstag, 29. Oktober 2015

Auf den richtigen Schwung kommt's an! - Abbauversuche im Salzberg

Welche Schlagtechnik dazu geeignet ist, die
vorhandenen Spuren aus der Bronzezeit
im Fels zu erzeugen, wurde experimentell
untersucht. (Bild: D. Brandner - NHM Wien)
Aus dem Hallstätter Salzbergwerk und dessen näherem Umfeld sind uns Funde von bronzezeitlichen Pickelschäftungen und bronzenen Pickelspitzen bekannt, die für den Salzabbau eingesetzt wurden. Das Vorhandensein des Gezähes wirft auch Fragen zu dessen Verwendung auf.

In der Vergangenheit gab es Pickelversuche, bei denen der Pickel auf ähnliche Art und Weise wie ein modernes Bergeisen gehandhabt wurde. Dabei hat sich der etwa 1 Meter lange Stiel und der spitze Winkel der Pickelspitze zur Schäftung als unpraktisch erwiesen. Die Frage nach einer alternativen Arbeitstechnik stand im Raum.

Neue Ideen zur Pickelführung kamen von einem Fachkollegen, der auf eine südrussische Sensentechnik verwies. Diese unterscheidet sich zur
herkömmlichen Methode, indem man den Schwung aus der Hüfte holt, mit einer zusätzlichen Drehbewegung aus dem Handgelenk. Auf diese Art lässt sich die Länge des Werkzeugstiels sinnvoll einsetzen und auch der Winkel der Pickelspitze zur Schäftung macht mehr Sinn. So die Theorie.

Nun ging es daran die Theorie in die Praxis umzusetzen. In der Zeit vom 5. bis zum 9. Oktober bot sich die Möglichkeit, diese neue Arbeitstechnik im Salzbergwerk von Hallstatt zu erproben.

Anfänglich war die Bewegung sehr ungewohnt. Es war schwierig gezielt zu
Rekonstruktion eines Pickels aus dem Salzberg
von Hallstatt. (Bild: A. W. Rausch - NHM Wien)
treffen und größere Salzbrocken aus der Wand zu brechen. Die Ergebnisse der ersten beiden Arbeitsstunden waren nur Kratzer an der Ulm und Salzstaub. Nach einiger Zeit stellte sich ein guter Arbeitsrhythmus ein und die Schläge wurden präziser. Die Pickelführung erfolgte in einer Bogenbewegung von rechts unten nach links oben. Bei der Handstellung am Stiel war die linke Hand in supinierter Position am unteren Ende der Schäftung und die rechte Hand in pronierter Position im oberen Viertel des Pickels, nahe der Spitze.
Diese Form zu Arbeiten belastete die Daumenwurzel der rechten Hand sehr.
Zusätzlich wurde an der rechten Hand ein „Handleder“ verwendet, wie man es ebenfalls aus Hallstätter Bergwerksfunden kennt. Dies erwies sich als sehr nützlich. Es schonte die rechte Handfläche enorm im Vergleich zur Linken und gab einen guten Grip am Stiel. Getragen wurde das „Handleder“ mit der Fellseite der Schäftung zugewandt.


Die Pickelspitze musste ca. alle 2 Stunden nachgeschärft werden, da sie sonst nur schlecht Halt auf der glatten Salzoberfläche fand. Wichtig war dabei, nach dem Schärfen, kurze Zeit nur mit leichten Schlägen zu arbeiten. Erst durch die geringe Beanspruchung erreichte die Bronze eine Härte, die ein sofortiges Deformieren der Spitze verhinderte. Nach dieser kurzen „Aufwärmphase“ konnte man wieder wie gewohnt weiterarbeiten. Hat man mal eine Rille begonnen, ist die Schärfe des Pickels nicht mehr so wichtig, da die nachfolgenden Schläge automatisch in die Rille rutschen und diese vorantreiben.


Zeitgleich zum Abbauversuch, fanden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der
Spuren vom Salzabbau im Fels.
(Bild: D. Brandner - NHM Wien)
archäologischen Ausgrabung Abbauspuren auf der Originaloberfläche der prähistorischen Stollenwände. Diese Spuren, annähernd senkrecht verlaufende parallele Rillen, machen eine Pickelführung von oben nach unten wahrscheinlich. Am dritten Tag des Experiments galt es nun die bisherige Arbeitsbewegung so zu modifizieren, dass der Schlag von oben kommt, um Arbeitsspuren ähnlich den bronzezeitlichen zu erzeugen.

Wieder war ein Umdenken notwendig. Wieder wurden verschiedene Handpositionen und Pickelbewegungen ausprobiert. Auch diesmal waren die Bewegungen ungewohnt. Aber erneut folgte die Anpassung. Ein Positionswechsel der linken Hand von supiniert zu proniert brachte eine höhere Trefferquote mit dem Pickel. Gearbeitet wurde wieder mit dem Schwung aus der Hüfte. Zusätzlich fand eine Pendelbewegung mit der Pickelspitze bei jedem Schlag statt, begünstigt durch das Gewicht der Bronzemasse. Sinn der Pendelbewegung war, keine Kraft dadurch zu verschwenden, die Pickelspitze in horizontaler Position zu halten. So konnte sie nach jedem Schlag einfach senkrecht hängen. Zusätzlich hatte es den Anschein, als würde diese Bewegung den Schlag wuchtiger machen.

Ein weiterer Vorteil dieser Methode im Gegensatz zum Arbeiten mit Schlägen von unten war, dass es auch deutlich schonender für die rechte Daumenwurzel war, da sie die Wucht der Schläge nicht mehr abfangen musste. Zusätzlich flog das Salz nicht unkontrolliert in alle Richtungen davon, sondern fiel in den meisten Fällen vor mir zu Boden, was das Einsammeln erleichtert. Die neuen Arbeitsspuren waren den bronzezeitlichen nun sehr ähnlich. Auch die Enden der Abbaurillen wiesen vergleichbare Bruchkanten auf. Es folgten noch einige Versuche, zwei parallele Rillen anzulegen und das Kernsalz dazwischen herauszubrechen, bei denen Zeit und Ausbeute gemessen wurde.

Am Ende des fünftägigen Abbauexperiments fühlte sich die neue Pickeltechnik weder ungewohnt, noch unpraktisch an und es war ein sinnvolles Arbeiten möglich - zumindest von Hüft- bis Kopfhöhe. Nach über 20 Stunden am Bronzepickel ist ein Einstieg in die bronzezeitliche Pickeltechnik erfolgt. Ich freue mich auf die Fortsetzung der Versuche nächstes Jahr mit der Technik der Hallstattzeit (Schlögel-Eisen).



(Von Christoph Jezek)

Die Versuche zur Pickelführung in der Bronzezeit brachten erstaunliche Ergebnisse.
(Bild: D. Brandner - NHM Wien)

Donnerstag, 22. Oktober 2015

Wir bauen einen neuen Lehmofen

Schulklassenprojekte sind ein fixer Bestandteil der Archäologischen Arbeit in Hallstatt. Gemeinsam mit den Salzwelten können wir so seit Jahren Archäologie den nächsten Generationen näherbringen und das Verständnis für unsere Forschung vermehren. Dabei ist Brotbacken seit jeher ein fixer Bestandteil des gebotenen Programms.

Beim Brotbacken wird der gesamte Produktionsablauf vom Rohstoff bis zum Endprodukt nachvollzogen. Damit sollen die Schülerinnen und Schüler auch bezüglich der Rohstoffherkunft und Produktzyklen, die in der modernen Welt oft nur mehr mit viel Aufwand nachzuvollziehen sind, sensibilisiert werden. Das Programm geht von der Auswahl des Getreides und dem anschließenden Mahlen des Mehls von Hand nach prähistorischem Vorbild über das Mischen und Bereiten des Teiges hin zum Heizen des Backofens und natürlich zum Verkosten der fertigen Brote. Elementarer Bestandteil dieser Projekte ist daher auch die Rekonstruktion eines prähistorischen Lehmkuppelofens.


Nachdem der alte Ofen nun schon vor über einem Jahr eingebrochen ist, war es jetzt höchste Zeit einen neuen bauen. Nachdem wir bei den letzten Rekonstruktionen schlechte Erfahrungen mit dem im Hochtal vorkommenden Lehm gemacht haben, kam dieses Mal Lehmpulver zum Einsatz. Dieses wurde mit grobem Kalksand für die Bodenplatte und mit Stroh für die Kuppel gemagert. Wie die vorhergehenden Öfen wurde auch dieser auf einer Stahlplatte gebaut, um ihn transportieren zu können.


Bei der Errichtung eines Ofens wird mit der Herstellung der Bodenplatte begonnen. In diese werden dann bogenförmig Haselruten gesteckt. Die entstandenen Bögen werden mit weiteren Ruten verflochten und bilden so ein stabiles Grundgerüst für den Ofen, das auch die spätere Form der Kuppel vorgibt. Auf das Gerüst wird dann von innen und außen so lange Lehm aufgetragen und verdichtet bis man eine bis zu zehn Zentimeter dicke Kuppel erhält. Anschließend wird die Oberfläche des Ofens noch mit Hilfe von Holznieren gleichmäßig glatt gestrichen und begradigt. Danach muss der neue Ofen nur noch trocknen.



(Von Max Grabner)

Dienstag, 20. Oktober 2015

"Exkrementelle" Archäologie - Eine Sonderform der Experimentellen Archäologie

Ein Ritschert-Rezept von
Eckart Barth. (Bild: NHM Wien)
Vor kurzem wurde hier im Blog über Ritschert berichtet, jenen traditionellen Eintopf, mit dem sich Fritz Eckart Barth lange Jahre intensiv beschäftigt hat. Wir freuen uns sehr, dass uns Eckart heute einen kleinen Einblick in die allgemeine und in seine eigene Forschungsgeschichte gibt. (Die Redaktion)

Menschliche Exkremente gehören zu den immer wiederkehrenden Funden im Heidengebirge des Hallstätter Salzbergwerks. Die meisten stammen aus der Eisenzeit, es gibt aber auch welche aus der Bronzezeit. Zunächst wurden sie für Exkremente eines größeren Haustieres gehalten (Sacken 1868), aber bereits 1886 spricht O. Stapf von menschlichen Exkrementen. Genauere Untersuchungen dieser interessanten Funde führte Elise Hofmann in den Zwanzigerjahren des vorigen Jahrhunderts durch. Die Zusammensetzung aus Gerste, Hirse und Saubohne ist also seit langem bekannt.

Eckart Barth ist leidenschaft-
licher Koch. (Bild: Fam. Barth)

Ein neuer Forschungsansatz ergab sich Anfang der Siebzigerjahre, als das Hygieneinstitut der Universität Wien aufgrund einer APA Meldung begann, sich für „unsere“ Exkremente zu interessieren. Unter Horst Aspöck gelang es in der Folge aufgrund der erhaltenen Eier in fast allen Proben einen massiven Befall mit Spulwurm und Peitschenwurm festzustellen. 

Neuerlich ins Zentrum des Interesses rückten die Exkremente in den 1990er Jahren, als im Rahmen eines Forschungsprojektes des FWF großangelegte Untersuchungen im Kernverwässerungswerk durchgeführt wurden. Erstmals war es möglich, das abgebaute kernige Heidengebirge als Bodensatz des prähistorischen Baues an den Tag zu fördern und zu schlämmen. 

Dadurch konnten auch kleine und kleinste Fundstücke geborgen werden. Darunter befanden sich auffallend viele kleine Knochenfragmente, die als Reste von Schwein und Schaf/Ziege bestimmt werden konnten und als Nahrungsreste angesprochen wurden. Es war also gelungen, eine weitere Zutat der Althallstätter Hauptnahrung zu identifizieren. 

Eckart Barth wendete einige Mühe auf, um
hinter das prähistorische Rezept zu kommen.
(Bild: Fam. Barth) 
Da ich nach dem Urteil meiner Kinder Kochbücher lese wie andere Kriminalromane, sind mir die vier Zutaten Gerste, Hirse, Bohne und Schweinefleisch bekannt vorgekommen und ich habe sie bald als Zutaten des Ritschert  identifiziert. Ritschert ist ein deftiger Eintopf, der im Ostalpenraum von Bayern bis Slowenien als traditionelle Hausmannskost bis heute zubereitet wird. 

Daraufhin habe ich während einer ganzen Grabungskampagne meinen Mitarbeitern einmal pro Woche Ritschert zugemutet, um hinter die Rezeptur der alten Bergleute zu kommen. Mein dadurch gewecktes Interesse für Bohnen resultierte in einer kleinen Ausstellung, die unter dem Titel „Bohnengeschichten“ in Hallstatt, Wels und Wien gezeigt wurde. Als späte Nachgeburt erschien ein „Bohnenkochbuch“, das ich gemeinsam mit Frau Helmreich im Seifert Verlag herausgebracht habe.

Zu einsamer Spitze getrieben wurde die „exkrementelle Archäologie“ durch Mario Bertieri. Im Selbstversuch hat er sich wochenlang nur von Ritschert ernährt, seine Ausscheidungen gewissenhaft gesammelt, eingefroren und anschließend gefriergetrocknet. Die so erzeugten Koprolithen konnten dann mikroskopisch untersucht werden und so die alte Rezeptur viel genauer rekonstruiert werden, als ich es je gekonnt hätte.


Heute ist Ritschert ein fixer Teil vieler archäologischer Events geworden. Ob Ausstellungseröffnung, Lange Nacht der Museen oder Archäologie am Berg, Ritschert wird den Besuchern als Teil einer Erlebnisgastronomie angeboten.


(Von Fritz Eckart Barth)

Ritschert. (Bild: Fam. Barth)

Donnerstag, 15. Oktober 2015

Viele Löcher und viele Jahrringe

Michael Grabner von der BOKU
Wien kommt jedes Jahr gegen
 Grabungsende, um Proben zu
 entnehmen. (Bild: H. Reschreiter
- NHM Wien)
Ein untrügliches Zeichen dafür, dass die Untersuchungen im Bergwerk Hallstatt dem Ende zugehen, ist das Anrücken von Michael Grabner von der Universität für Bodenkultur Wien mit seinem Team. Er kommt seit vielen Jahren, um die neu freigelegten Grubenhölzer zu beproben. 

Um an die Jahrringe der über 3000 Jahre alten Hölzer im Bergwerk zu kommen, holt er mit Spezialbohrern kleine Bohrkerne aus den Stämmen. Solange die Hölzer im Bergwerk fest im Gebirge stecken, können sie nicht wie die Stiegenteile in einem Computertomographen zerstörungsfrei untersucht werden. Außerdem wären die meisten Grubenhölzer viel zu lang für die Tomographen (Siehe Blogeintrag zur Datierung der Stiege - CT Leoben.)  

Die gewonnenen Bohrkerne werden auf Trägerhölzer aufgeklebt. Im Labor werden die Bohrkerne geschliffen und unter dem Mikroskop ausgewertet. Sie werden weitere Bausteine sein für die jahrgenaue Datierung der einzelnen Phasen dieses einzigartigen Bergbaus. Wenn die Arbeiten abgeschlossen sind, werden wir verstehen, wann die Bergleute der Bronzezeit ihren Betrieb rund um die Stiege ausgebaut haben.


(Von Hans Reschreiter)
 
Die Bohrkerne werden vorsichtig aus den alten Hölzern entnommen und auf Traghölzer
geklebt. (Bild: H. Reschreiter  - NHM Wien)

Dienstag, 13. Oktober 2015

3D Dokumentation im Christian von Tusch-Werk

Fotopositionen zu den bronzezeitlichen
Befunden im Christian von Tusch-Werk.
(Bild: G. Raab - NHM Wien)
Seit der Herbstsaison 2014 wird die bronzezeitliche Fundstelle Christian von Tusch-Werk des Hallstätter Salzbergwerks systematisch mittels Structure from motion oder auch Image based modeling aufgenommen. 

Dabei werden mittels einem genau eingehaltenem Schema Fotos von Boden, Himmel (Decke) und Seitenwänden gemacht. Diese Fotos werden dann über diverse Algorithmen zu einem 3D-Objekt zusammengefügt. Im ersten Schritt als Punktwolke, danach erfolgt die Georeferenzierung, im Anschluss wird die Punktwolke optimiert, verdichtet und zu einem fertig texturierten Modell gerechnet. Messpunkte wurden ca. alle 5 m gesetzt und werden von Julia Klammer eingemessen.

Punkte werden zu einem 3D Model
zusammen gefügt. (Bild: G. Raab - NHM Wien)
In der Kampagne 2014 stand die Methodik im Vordergrund. Verschiedene Licht- bzw. Blitzinstallationen, Kamera- und Objektivtypen und die Vorgehensweise unter Tag wurden ausgetestet, um ein optimales Ergebnis zu erzielen.
Im Jahr 2015 wurden ca. 60 m Vortriebsstollen mittels 6100 Fotos dokumentiert. Ziel der 3D-Dokumentation ist ein GIS-fähiges Gesamtmodell der Ausgrabung und exportierbare Orthofotos aller Profile und Flächen. Zusätzlich soll es auch eine Online Version von diesem Modell geben, um Interessierten einen virtuellen Durchgang durch das Bergwerk zu ermöglichen. 


Verdichtete Punktwolke aus dem Christian
von Tusch-Werk in Hallstatt.

 (Bild: G. Raab - NHM Wien)
Das Projekt in Hallstatt ist meine Masterarbeit. Mit meiner Firma crazy eye (t) habe ich auch schon an Projekten in Frankreich, im Sudan, in Deutschland, Rumänien und Jordanien mitwirken können. Auch wenn ich dadurch nun schon viele großartige Fundorte gesehen habe, freut es mich immer besonders, wenn ich in Hallstatt bin, schließlich habe ich hier viele Jahre im Bergwerk mitgegraben. Hallstatt ist einfach einzigartig.  


(Von Gerald Raab)
 
Das Endprodukt ist ein Foto-realistisches 3D-Model des Christian von Tusch-Werks im Hallstätter Salzberg. (Bild: G. Raab - NHM Wien)



Donnerstag, 8. Oktober 2015

Von Holz zu Holz - Ein Brunnen aus Großstolpen

Der frühneolithische Brunnen aus Großstolpen,
der im Block geborgen wurde, wird nun in
einer Lagerhalle ausgegraben.
(Bild: H. Reschreiter - NHM Wien)
Komplett erhaltene prähistorische Holzkonstruktionen, wie die Stiege im Hallstätter Salzberg, gehören zu den ganz seltenen Funden in der europäischen Archäologie. Um das Wissen zu diesen speziellen Funden zu vermehren, stehen Forschergruppen, die sich mit Holzkonstruktionen beschäftigen, in regem Austausch.
 

Erst vor einer Woche hat Harald Stäuble vom Landesamt für Archäologie Sachsen im Rahmen einer Exkursion unsere Fundstellen im Bergwerk Hallstatt besucht. Am Freitag hatten wir die Gelegenheit für den Gegenbesuch. In Großstolpen bei Leipzig werden in einer großen Lagerhalle gerade die nächsten frühjungsteinzeitlichen Brunnen ausgegraben.
Das "Grabungsareal".
(Bild: H. Reschreiter - NHM Wien)

Sie wurden im Vorfeld des Braunkohletagebaus entdeckt und im Block geborgen. Nun sind Mitarbeiter des Landesamtes dabei sie unter „Laborbedingungen“ freizulegen.

Schicht für Schicht wird die Brunnenverfüllung abgetragen und dokumentiert. Der Brunnenkasten wird Kranz für Kranz abgebaut. Dabei werden die unterschiedlichen Konstruktionselemente der Brunnen erkennbar.

Es war für mich absolut faszinierend vor einem fast 7000 Jahre alten Brunnen zu stehen, der so gut erhalten ist. Ich stehe immer wieder ehrfürchtig vor diesen alten Holzkonstruktionen - und bin gleichzeitig extrem froh, dass unsere Hölzer aus dem Bergwerk durch die Salzkonservierung wesentlich besser erhalten sind und keine sehr aufwändige Konservierung benötigen, so wie die Brunnenhölzer.
 

(Von Hans Reschreiter)

Der Brunnen aus Großstolpen. (Bild: H. Reschreiter - NHM Wien)

Donnerstag, 1. Oktober 2015

Schwein gehabt! Vom Kochen und Essen der Hallstätter Bergmannskost



Hans und ich beim Kochen des prähistorischen 
Ritschert nach Belegen aus Hallstatt.
(Bild: Max Grabner - NHM Wien)
Wieder einmal haben wir ein Fernsehteam zu Gast im Hallstätter Hochtal. Diesmal handelt es sich um eine Delegation des BayerischenRundfunks, die an einer Dokumentation über Kochutensilien im Wandel der Zeit arbeitet. Da die Funde von Kochgeschirr aus dem urgeschichtlichen Bergbau in Hallstatt weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt sind, entstand die Idee, ein archäologisches Experiment in die Dokumentation einzubinden. 

Einer der spektakulärsten Funde aus diesem Spektrum ist der eines eisenzeitlichen Kochlöffels, an dem nach fast 3000 Jahren noch Speisereste haften. Aufgrund der Analysen dieser Speisereste und der ebenfalls im Berg gefundenen Exkremente, kann der Speiseplan der Hallstätter Bergleute sehr gut nachvollzogen werden. Von der mittleren Bronze- bis in die Eisenzeit ernährte man sich offenbar hauptsächlich von einem Gericht, das im Ostalpenraum bis heute überdauert hat: das Ritschert. 


In der Urgeschichte bestand es aus Saubohnen, Hirse, nicht entspelzter Gerste und „minderwertigem“ Schweinefleisch, also Füße, Schwanz und Kopfteile. Ausgewogen, aber 1000 Jahre lang möchte ich mich davon doch nicht ernähren müssen. Was allerdings nicht mehr so eindeutig nachzuvollziehen ist, ist die Konsistenz dieses Eintopfs und – damit verbunden – die Art, wie er gegessen wurde. Dieser Fragestellung soll unser Experiment nachgehen.

Dafür wird erstmal das Ritschert, nach dem Rezept von Fritz Eckart Barth, überarbeitet nach den Forschungsergebnissen von Mario Bertieri, in einer Rekonstruktion eines eisenzeitlichen Kochtopfes auf dem Feuer zubereitet. Die Bohnen und die Hirse, welche über Nachte eingeweicht wurden, werden dann nacheinander zusammen mit dem Fleisch gekocht. Die Konsistenz des Gerichtes variiert vor allem durch Mengenverhältnis der Zutaten und Kochzeit. 

Was man allerdings hierbei vorrangig braucht, ist Geduld. Nach dem Entzünden des Feuers dauert es natürlich eine Zeit, bis das Wasser kocht und man, mehr oder weniger im Stundentakt, die restlichen Zutaten zugeben kann. So sitzen wir also den gesamten Vormittag am Feuer, halten das Ritschert auf Temperatur und schauen dass nichts anbrennt. Und hier kommt auch der eisenzeitliche Kochlöffel wieder ins Spiel.

Eine originalgetreue, in kleinerem Maßstab nachgeschnitzte Version unterstützt uns bei unserem Kochversuch und bewährt sich von Anfang an. Die anfangs eigenwillig erscheinende Form, passt nämlich perfekt in die Rundung des tönernen Kochtopfes und sorgt damit dafür, dass sich so wenig des Gerichtes wie möglich am Topf anlegt. Das alles erklären wir auch zwischendurch des Öfteren Touristen, die auf ihrem Weg ins Schaubergwerk der Salzwelten vorbei ziehen und interessiert in unseren Kochtopf blinzeln.

Am Nachmittag ist es endlich so weit. Alle Zutaten sind zu unserer Zufriedenheit
gegart und die Konsistenz erscheint uns würdig, einen ersten Versuch zu starten. Beim letzten Umrühren kommen mir – als kleine Hintergrundinfo: ich lebe seit 18 Jahren bis auf sehr seltene Ausnahmen vegetarisch – kurz Bedenken, ob es eine gute Idee ist, vor laufender Kamera einen Eintopf zu probieren, der zu einem Großteil aus Gelatine und sich zerlegenden Schweineteilen besteht. Aber jetzt gibt es kein Zurück, jetzt wird gekostet.

Kaum haben wir den ersten Bissen im Mund, wird schon aus dem Off der Kamera gefragt: „Na, wie schmeckts?!“ Und ich muss feststellen: eigentlich gar nicht schlecht. Der klebrig-zähe Brei lässt sich einfach mit zwei oder drei Fingern aus der Schüssel schaufeln, obwohl nur mit Salz gewürzt, ist das Ganze sehr geschmackvoll und durch die unentspelzte Gerste auch angenehm knackig. So wie wir das in dieser Konsistenz zubereitete Ritschert essen, würden sich auch die im Essgeschirr immer wieder gefundenen Kratzspuren durch Fingernägel erklären lassen.

Wir führen also mit vollem Mund noch ein Interview, essen unsere Schüsseln leer und merken dann erst, dass Ritschert gar nicht anbrennen muss, damit man es kaum noch aus dem Koch- und Essgeschirr entfernen kann. Wie man das allerdings ohne Geschirrschwamm und Spülmittel schafft, ist Stoff für einen nächsten Versuch. Und Gelegenheit dazu werden wir bekommen, denn weitere Versuche in Hinblick auf unterschiedliche Konsistenzen sind bereits geplant.

(von Fiona Poppenwimmer)

"Na, wie schmeckts?!" (Bild: Max Grabner - NHM Wien)