Montag, 31. März 2014

Internationale Unterstützung bei den Vorbereitungen zur technischen Aufnahme


M. Grabner, W. Hein, R. Darrah und H. Reschreiter
In den letzten Wochen waren wir mit dem 3D-Scan der Stiegenteile im Tiefspeicher des Naturhistorischen Museums beschäftigt. Dieser ist inzwischen abgeschlossen. Nun steht die technische Aufnahme der Hallstätter Stiege an.
Weil die 60 Auftritt- und Distanzbretter sehr unterschiedliche Abnutzungsspuren zeigen, die wir miteinander vergleichen wollen, müssen wir diese Spuren möglichst einheitlich erfassen. Gemeinsam mit dem eigens aus England angereisten Holzexperten Richard Darrah, dem Archäotechniker Wulf Hein aus Deutschland und einem der führenden österreichischen Holzexperten Dr. Michael Grabner haben Andreas W. Rausch und ich die Kriterien erarbeitet, die für die Beschreibung der Bretter wichtig sind.
W. Hein, R. Darrah und M. Grabner

Wir werden daraus nun ein Formblatt erstellen, das für die archäologische Beschreibung aller Teile verwendet werden soll. Das Formblatt soll gewährleisten, dass man nichts übersieht und dass die einzelnen Bretter auch in der Datenbank miteinander verglichen werden können.
Wir erhoffen uns davon Antworten auf – wie üblich – gleich mehrere Fragen, so zum Beispiel, mit welchen Beilen die Bretter bearbeitet wurden und von wie vielen Personen. Aufgrund der einzigartigen Erhaltung des Holzes durch die Bedingungen im Hallstätter Salzberg sind die Spuren der verwendeten Bronzebeile nämlich so deutlich, dass man verschiedene Klingen unterscheiden kann.
A. Kern, M. Grabner, A. Rausch und R. Darrah

Die erste Analyse der Abnutzungsspuren zeigt schon jetzt eine deutliche Asymmetrie bei den Auftrittbrettern. Wir können sehen, dass die Bergleute in der Bronzezeit auf der linken Seite der Stiege andere Spuren hinterlassen haben als auf der rechten. Wir prüfen nun, ob sich das vielleicht dadurch erklären lässt, dass sie eine Seite nur zum Raufgehen und eine nur zum Runtergehen benutzten. 
Wir freuen uns wirklich auf die technische Aufnahme und sind sehr gespannt, welche neuen Erkenntnisse sie uns bringen wird.

(Von Hans Reschreiter)

Dienstag, 18. März 2014

Ja, wir mussten sie zersägen, die gute, alte Stiege...

Sobald klar war, dass die Stiege ihren gewohnten Platz im Salzberg von Hallstatt verlassen muss, war auch klar, dass wir sie dazu auseinander nehmen müssten. Das heißt: abbauen, was Bergleute vor über 3000 Jahren errichtet hatten. Dennoch: die langen Seitenteile der Stiege (die Wangen) würden nicht im Ganzen durch unsere engen Stollen passen.
Also blieb nur eine Möglichkeit: Wir würden die Konstruktion zersägen müssen!

2013 ©NHM - A. Rausch
'Unsere' Stiege ist uns ja nicht nur ans Herz gewachsen, sondern sie stellt eine solche Besonderheit dar, dass es schwer fällt, ihr ohne mit der Wimper zu zucken, zu Leibe zu rücken. Wir waren aufgeregt und haben diese Frage lange mit internationalen Fachkollegen aus Archäologie, Restaurierung, Holzforschung und Denkmalschutz in unserem Workshop zur Stiegenbergung im Salzkammergut diskutiert, bevor wir endlich Hand anlegten.

Eine neue, feine, japanische Säge haben wir benutzt, mit der sich die feinsten und dünnsten Schnitte von allen machen lassen. Es fühlte sich an wie ein ernster chirurgischer Eingriff, der einerseits notwendig und andererseits eben auch riskant war. Der Respekt vor der „alten Dame“ war deutlich und wohl angemessen.

2013 ©NHM - A. Rausch
An der südlichen Wange, die noch immer im Berg ist, werden auch noch 2-3 „Eingriffe“ dieser Art notwendig werden, damit auch sie schließlich gehoben und sorgsam verpackt auf die Reise ins Naturhistorische Museum gehen kann. 2015 werden wir die Stiege dann an ihrem neuen Platz im Schaubergwerk der Salzwelten wieder zusammensetzen, wo sie endlich für alle sichtbar sein wird.

Ich hoffe, sie ist uns nicht böse, für die Übersiedlung.

(Von Andreas W. Rausch)


Heben der Stiegenwange, 2013 ©NHM - A. Rausch

Stufe für Stufe

Erste Erkenntnis eines Neulings auf der Grabung im Hallstätter Salzberg: auch Bergwerksgrabungen sind – entgegen weit verbreiteter Vorurteile - mehr als brachialer Vortrieb!
Nicht, dass es nicht dazugehören und bestimmt auch Spaß machen würde, sich in der Maulwurfperspektive mit einem Schrämhammer durch den Berg zu wühlen. Aber die Gelegenheit, eine über 3000 Jahre alte Holztreppe in all ihren Einzelheiten zu betrachten und zu dokumentieren, ist mir persönlich dann doch der angenehmere Einstieg in die archäologische Welt Hallstatts.

Das Team rund um die "Erstversorgung" der Stiegenteile, 2013 ©NHM - A. Rausch
So finde ich mich mit den Kollegen im alten Lokschuppen vor dem Kaiserin-Christina Stollen wieder, wo wir die aus dem Berg geholten Einzelteile der bronzezeitlichen Stiege von allen Seiten fotografieren und Auffälliges dokumentieren.

Der Lockschuppen vor dem 
Kaiserin-Christina-Stollen, 2013 ©NHM - A. Rausch
Besonders anfangs ist der Respekt vor den zu bearbeitenden Stufen noch fast übermäßig. Jedes Stückchen Holz oder Rinde, jeder Brösel der sich von den Stiegenteilen löst, verursacht schwere Gewissensbisse. Wieder einmal drängt sich die Erkenntnis auf, dass Erforschung, Beobachtung und Dokumentation nicht möglich sind, ohne etwas zu verändern und vielleicht auch zu zerstören. Umso wichtiger ist die genaue Dokumentation, nicht nur der großen Stiegenteile, sondern auch der abbröselnden Sediment- und Holzstückchen.

Von Standardisierung der Dokumentation war anfangs noch wenig zu sehen, umso größer aber das Bestreben aller Beteiligten, das gesamte Prozedere stetig weiterzuentwickeln und auszubauen.

Nächste wichtige Erkenntnis: verwende einem Restaurator gegenüber niemals die Worte „Reinigung“ oder „sauber“ wenn du von seiner Arbeit sprichst. Nebenwirkungen könnten blankes Entsetzen, ein blutendes Restauratorenherz und verachtende Blicke sein.
Die Freilegung (!) der Auftritte und Distanzbretter, also die Entfernung der zusammengepressten Sedimentschicht, lassen den Respekt vor diesem Meisterwerk prähistorischer Ingenieurskunst weiter wachsen.

Stiegenauftritt vor der Freilegung, 2013 
©NHM - A. Rausch
Erst nach und nach wird mir bewusst, wie viel Information man aus diesen Stücken ziehen kann. Abnützungsspuren (welche Teile der Stiegenbretter wurden besonders beansprucht?), Kerben (vielleicht sogar Markierungen?), Hackscharten (welches Werkzeug wurde verwendet?), Abdrücke der Unterkonstruktion, nachträgliche Bearbeitung im Berg, Spuren der Entästung, Rückstände von Kleidung, Haaren und Gebrauchsgegenständen... Und das sind nur die offensichtlichen Dinge die einem ins Auge springen. Wer weiß, was die weiteren Untersuchungen alles aufzeigen werden?

Für mich war deshalb die Entscheidung umso überraschender, nur einen Teil der Bretter freizulegen und genauer zu untersuchen. Zumindest die Oberseite bleibt vorerst im Originalzustand, um auch späteren Generationen von Archäologen, mit weiterentwickelten Methoden die Möglichkeit zu geben, ihre Erkenntnisse daraus zu ziehen (und unsere zu erweitern oder zu widerlegen).

Bei dieser Vorstellung muss ich mich selbst mal wieder daran erinnern, dass das, was wir mit den Archäologen von der Prähistorischen Abteilung des Naturhistorischen Museum hier tun, in vielen Aspekten eine Premiere ist. Ein weiterer Antrieb, so sorgfältig und detailliert wie möglich zu arbeiten, unsere Vorgehensweisen manchmal auch kritisch zu betrachten und offen für neue Einflüsse und Methoden zu bleiben.

(Von Fiona Poppenwimmer)

Der Hallstätter Salzberg - eine archäologische Schatzkiste

Die Stiege aus dem Hallstätter-Salzbergwerk, um die sich in diesem Blog alles dreht, ist die älteste erhaltene hölzerne Treppe Europas. Durch eine dendrochronologische Analyse, die von der Universität für Bodenkultur in Wien durchgeführt wurde, weiß man, dass das Holz der Stiege in den Jahren 1344 und 1343 v. Chr. geschlagen worden ist.
Während also in Ägypten Echnaton und Nofretete herrschten und in Griechenland die Mykenische Kultur ihre Blütezeit erlebte, transportierten in Hallstatt Bergleute Salz über diese Stufe.
Dass sich das Holz der Stiege über beinahe dreieinhalb tausend Jahre erhalten hat, ist den günstigen Bedingungen im Hallstätter Salzberg zu verdanken. Der hohe Salzgehalt im Berg wirkt antibakteriell. Luftfeuchtigkeit und Temperatur sind nahezu konstant und UV-Strahlung gibt es nicht. Da sich zudem fast alle einmal geschaffenen Hohlräume durch den Bergdruck wieder schließen, lagern die Fundobjekte darin über beinahe den gesamten Zeitraum zusätzlich unter Luftabschluss. Alles das also, was den natürlichen Alterungsprozess begünstigt, fehlt im Salzberg. Das macht ihn zu einer archäologischen Schatzkiste, die uns vielfältige Einblicke in das Leben von Bergleuten in längst vergangener Zeit gewährt. Neben der Stiege wurden im Salzberg Steigbäume, Pickel, Seile, Tierfelle, Tragsäcke, Tücher, Kleidungsreste, Schuhe und eine ganze Menge weiterer Dinge gefunden, die unter anderen Umständen lange schon verrottet wären. Dazu gehören auch Essensreste und sogar das, was nach dem Verdauen vom Essen übrig bleibt.
Textil aus dem Hallstätter Bergwerk
©NHM - A. Rausch
Bedingungen, wie sie im Hallstätter Salzberg herrschen, gibt es im Zusammenhang mit archäologischen Funden nur an zwei weiteren Orten auf der Welt: in den Salzbergwerken am Dürnnberg in Hallein und in Cher Abad im Iran.
Deshalb sind die Hallstatt-Forscher oft mit Objekten konfrontiert, die so noch niemand gesehen hat, und mit vielerlei Fragen, die sich sonst niemand stellen muss. Zu diesen Fragen gehören: „Wie sieht eine Mure von unten aus?“ und „Zersägt man ein dreieinhalb tausend Jahre altes Stück Holz besser mit einer Kettensäge oder mit einer japanischen Handsäge?“ Zum Forschen in Hallstatt braucht man deshalb vor allem Vorstellungsvermögen und Innovationsbereitschaft. Ach ja, und ein wenig Mut braucht man dafür auch.

(Von Carmen Löw)