Freitag, 24. Januar 2014

Kugelpanorama der Stiege

Für die, die die Stiege an ihrem Orginalfundort im Salzbergwerk von Hallstatt leider nicht mehr sehen konnten oder auch für jene, die sich gerne erinnern.
(Von Andreas W. Rausch)

360°-Panorama der Stiege - 2012/2013 ©NHM - A. Rausch

Mittwoch, 22. Januar 2014

Die Hallstatt-Forschung - Ein Werk von Vielen

Der Ort Hallstatt ist in der archäologischen Welt weit über die Grenzen Österreichs hinaus bekannt. Das liegt vor allem an einem außergewöhnlich reichen Gräberfeld, das im Salzbergtal entdeckt wurde. Seit der Zeit um 1600 kennt man Funde aus Hallstatt, die – sehr zum Leidwesen der heutigen Forscher und Forscherinnen – gerne an bekannte Persönlichkeiten und natürlich auch an den österreichischen Kaiserhof verschenkt wurden.


Aquarellzeichnung aus der Grabungsdokumentation von G. Ramsauer ©NHM
Die erste systematische Untersuchung des Gräberfeldes leitete der Bergmeister Johann Georg Ramsauer, der zwischen 1846 und 1863 980 Gräber freilegen ließ. Ramsauer hielt seine Beobachtungen in zahlreichen Aquarellen, in Plänen und schriftlichen Aufzeichnungen fest. Dadurch blieben in Hallstatt viele Informationen erhalten, die an anderen Fundorten durch die ersten Versuche archäologischer Forschung für immer verloren gingen. Die innovative Dokumentation Ramsauers darf sicher als eine der weltweit besten archäologischen Dokumentation der Frühzeit unseres Faches gelten.
Nachdem Eduard von Sacken die Hallstätter Funde im Jahr 1868 erstmals umfassend publiziert hatte, sorgten sie für derart großes Aufsehen, dass der schwedische Archäologe Hans Hildebrand 1874 kurzerhand den Begriff „Hallstattkultur“ prägte. Seitdem ist Hallstatt namengebend für eine ganz bestimmte Zeit (etwa zwischen 800 und 400 v. Chr.) und einen ganz bestimmten Raum (von Nordostfrankreich bis ins nördliche Kroatien) in der internationalen archäologischen Forschung.
Der Verdienst Ramsauers um das archäologische Erbe von Hallstatt ist so groß, dass er häufig all die anderen vergessen lässt, die sich ebenfalls um den Fundort verdient gemacht haben. Ramsauers Mitarbeiter Isidor Engel ist hier zu nennen und Friedrich Morton natürlich, der mit Adolf Mahr im Jahr 1927 die ersten Grabungen im Bergwerk durchführte. Wie groß die Zahl der Hallstatt-Forscher und Forscherinnen genau ist, lässt sich kaum sagen, denn seit ihren Anfängen ist die Hallstatt-Forschung ein Werk Vieler. Das ist auch heute noch so und zu den Vielen, die gemeinsam versuchen, etwas über die Hallstätter der Vergangenheit zu erfahren gehören ArchäologInnen, Bergleute, HolzexpertInnen, IT-SpezialistInnen, AnthropologInnen, BotanikerInnen, ChemikerInnen, GeologInnen, FotografInnen, LuftbildexpertInnen, PhysikerInnen, ArchäometallographInnen, HeimatforscherInnen, ArchivarInnen und viele mehr.
                                                                                                                                             (Von Carmen Löw)




Die älteste erhaltene Holzstiege Europas



© A. Rausch - PA NHM Wien
Die Hallstätter Stiege von oben
©NHM - A. Rausch
Im Jahr 2003 wurde im Salzbergwerk von Hallstatt eine vollständig erhaltene prähistorische Holzstiege entdeckt. Das Schlagdatum ihrer Hölzer konnte auf die Jahre 1344 und 1343 v. Chr. bestimmt werden. Damit ist sie die älteste erhaltene Holztreppe Europas. Vor rund 3350 Jahren diente sie den Hallstätter Bergleuten als Verkehrsweg in einer der riesigen Abbauhallen. Ihr weltweit einzigartiges Konstruktionsprinzip gehört zu jenen Spezialentwicklungen und Innovationen, mit denen sich die prähistorischen Hallstätter die Arbeit zu erleichtern verstanden. Damit ist sie ein weltweit einmaliges und phantastisches Zeugnis der Industrie-, Wirtschafts- und Technikgeschichte. 
Dass sich die Hallstätter Stiege über einen so langen Zeitraum erhalten konnte, ist gleich zwei besonderen Umständen zu verdanken:
Zum einen sind die Erhaltungsbedingungen im Hallstätter Salzberg so günstig, wie sonst fast nirgendwo auf der Welt.



Lebensbild des Hallstätter Bergbaus in der Bronzezeit 
©NHM - H. Reschreiter - D. Groebner
Eingebettet in Salz, unter Luftabschluss und bei konstanter Umgebungstemperatur werden Gegenstände aus organischem Material nicht abgebaut und erhalten sich völlig unversehrt über Jahrtausende. Die Stiege verdankt ihre Erhaltung aber nicht allein diesem Umstand, sondern auch der Tatsache, dass der Bergbau um 1200 v. Chr. verschüttet wurde.


Von der Oberfläche eindringender Lehm vermischt mit Geröll und Wurzelstöcken füllte alle Abbauräume aus und begrub auch die Stiege unter sich. Dermaßen eingebettet wirkte der Bergdruck gleichmäßig auf die acht Meter lange Holzkonstruktion und verursachte keinen Schaden.

Gesamtansicht der Stiege im  Hallstätter Christian-von-Tusch-Werk (Fotogrammetrische Dokumentation) 
©NHM - A. Rausch

Im Zuge der archäologischen Ausgrabung wurde ein Teil des eingedrungenen Oberflächenmaterials entfernt. Nun versucht der Bergdruck den so entstandenen Hohlraum um die Stiege wieder zu schließen. Dabei wurden die Stiegenteile in den letzten Jahren merklich verschoben und teilweise auch schon verbogen.

Bergung der Stiegenteile ©NHM - A. Rausch
Deshalb kann die Stiege nicht länger an ihrem Fundort im Berg erhalten werden. Seit September 2013 laufen Bergungs- und Restaurierungsarbeiten, die unter der Leitung des Naturhistorischen Museums in Wien stattfinden, das seit den 1960er Jahren die Ausgrabungen im Salzberg durchführt.

Gemeinsam mit der Salinen Austria AG, der Salzwelten GmbH und dem Institut für Holzforschung der Universität für Bodenkultur Wien wurde ein Konzept zur Sicherung der Stiege erarbeitet: In den Wintermonaten 2014/15 wird im Hallstätter Salzberg eine neue Kammer gefräst, in der die Stiege ab Frühling 2015 wieder aufgebaut wird. Dort kann die Treppe für die Zukunft sicher aufbewahrt werden und im Rahmen der Besucherführungen in den Hallstätter Salzwelten besichtigt werden.

In diesem Blog wollen die Hallstatt-Forscher allen Interessierten die Möglichkeit geben, ihnen bei ihrer Tätigkeit über die Schulter zu blicken und den Fortgang der Arbeiten an einem der wichtigsten archäologischen Denkmäler Österreichs zu verfolgen.
(Von Carmen Löw)

Die Grabungsmannschaft des Hallstätter Bergwerks 2013 ©NHM - A. Rausch

Dienstag, 21. Januar 2014

Eine Stiege mit Haut und Haaren

Freilegen der Holzoberfläche, ©NHM - A. Rausch
2013 wurde mit dem Abbau der Einzelteile der Stiege im Salzberg von Hallstatt begonnen, nachdem sie genau vermessen, fotografiert und gescannt worden war. Auch die Einzelteile wurden exakt dokumentiert, Fotos von allen Seiten gemacht und zum Teil wurde auch die Oberfläche der Hölzer freigelegt – außer auf der Oberseite, dort wo die prähistorischen Bergleute aufgetreten sind und ihren Dreck fallen gelassen haben.

Für die Archäologie ist der, bei der Verwendung der Stiege entstandene Dreck besonders wichtig, denn in diesen Sedimentschichten können sich besonders interessante Spuren von den prähistorischen Bergleuten und ihrer Ausrüstung erhalten haben. Zum Beispiel Fasern und Haare, aber auch kleinste Hautschuppen und vielleicht auch Reste der Schweißperlen, die den schwitzenden Bergleuten von der Stirn getropft sind. Da in naher oder fernerer Zukunft sicher noch modernere Untersuchungsmethoden zu Verfügung stehen als heute, um derartige Spuren zu untersuchen, haben die Archäologen der Prähistorischen Abteilung des Naturhistorischen Museums Wien beschlossen, dass diese Schichten an Ort und Stelle erhalten bleiben sollen. Das war eine der besonderen Herausforderung bei der Freilegung vor der wir standen: diese Daten zu erhalten.


Doku des alten "Drecks" und der Hölzer 
©NHM - A. Rausch
Nach der Freilegung der Oberfläche - also der Holzenden und der Unterseiten - zeigten sich an den Hölzern verschiedene Bearbeitungs- und Benutzungsspuren, die Rückschlüsse auf ihre Herstellung und auf ihre Verwendung zulassen. 
Auch Zeichen, wie mit einem Beil eingehackte Dreiecke und Kerben konnten festgestellt werden. Wozu diese gedient haben und was sie bedeuten, wird unter anderem eine Frage zukünftiger Forschungen sein. 
Dafür wird die Oberfläche wieder detailliert fotografiert und gescannt und wenn die Stiege wieder aufgebaut ist, kann man trotzdem mit den Daten arbeiten und die Stiege zum Beispiel virtuell am Computer wiedererstehen lassen.
Stiegen-Auftritt mit Markierung ©NHM - A. Rausch
Wie geht es weiter? Alle Spuren auf den einzelnen Stiegenteilen sollen kartiert und diese mittels Computertomographie untersucht werden und dann einem konservatorischen Prozess unterlaufen, aber dazu werden sich Berufenere äußern.
So ist bis zum Wiederaufbau der Stiege noch einiges zu tun und wenn alles klappt, kann sie ab 2015 von Touristen aus aller Welt, die das schöne Salzkammergut bereisen, bei ihrem Besuch der Salzwelten im Hallstätter Salzbergwerk betrachtet und bewundert werden.

(Von Robert Fürhacker)

Fotografieren im Bergwerk

Eine Stollenbreite ©NHM - A. Rausch
Die fotografische Dokumentation ist natürlich bei den Ausgrabungen im Salzbergwerk von Hallstatt ein ebenso fixer Bestandteil, wie die Vermessung, nur bringt der Umstand, dass es ein „Bergwerk“ ist, ein paar zähe Widrigkeiten mit sich. 

Immer dann, wenn man in der Archäologie üblicherweise von einer Leiter oder aus der Luft ein Überblicksfoto macht, steht man im Salzbergwerk vor einem echten Problem. Ein solches Foto wird aber gebraucht, denn ein Profil, das etwa 20x15 Meter misst, lässt sich nun mal nicht betrachten, wenn man nicht mehr als einen Meter Abstand dazu einnehmen kann. Und Fotografieren lässt es sich so einfach halt auch nicht. Also haben wir auch hier wieder einen Weg finden müssen.


Profil-Foto aus über 600 Einzelbildern, 
©NHM - A. Rausch
Das erste diesbezügliche Großexperiment - das war im Jahre 2000 - haben wir mit dem Querschnitt durch den hallstattzeitlichen Bergbau des Kernverwässerungswerkes unternommen. Über 600 Einzelfotos, die über mehr als 1200 Passpunkte verknüpft sind, haben Klaus Löcker und ich im Laufe eines Monats angefertigt. Nach einigen Startschwierigkeiten, wurde dann zum ersten Mal sichtbar, was man sich vor Ort nicht ansehen konnte: Eine Gesamtansicht.
Aus diesem, wohl ersten Gigapixel-Projekt in unseren Breiten, das wir mit der Prähistorischen Abteilung des Naturhistorischen Museum Wien durchführten, ist inzwischen eine Methode geworden. 

Seit Jahren nun praktizieren und entwickeln wir diesen Weg weiter. Wesentlich für uns dabei ist: die Methode muss einfach, technisch möglichst wenig aufwändig und in den beengten räumlichen Bedingungen relativ rasch zu bewerkstelligen sein.


Stiegen-Doku 2013 ©NHM
Das haben wir auch mit der Stiege gemacht, um ein maßstabsgetreues, fotografisches Bild zu erhalten. In schonenden Filz-Schlapfen, bin ich sie dafür nun schon des Öfteren auf und ab gelaufen.


(Von Andreas W. Rausch)





Gesamtansicht der Stiege im  Hallstätter Christian-von-Tusch-Werk (Fotogrammetrische Dokumentation)
 2012 ©NHM - A. Rausch

Der Berg drückt und die Stiege muss siedeln

Über 3000 Jahren lag die Holzstiege als ein kleiner Teil eines prähistorischen Salzbergwerks im Hallstätter Salzberg im Salzkammergut, eingebettet in Heidengebirge und in durch eine Katastrophe in den Berg eingedrungenes Tagmaterial. Ein wenig wurde die Stiege durch den Bergdruck deformiert, aber im Großen und Ganzen lag sie noch immer so da, wie sie die Augen der prähistorischen Bergleute sahen – nur war sie unsichtbar.

Hans Reschreiter beim Freilegen
der Stiege 2004 ©NHM - A. Rausch
Die wissenschaftliche Neugier von Archäologen der Prähistorischen Abteilung des Naturhistorischen Museums führte dazu, dass 2001 ein kleiner Teil der Stiege nach über 3000 Jahren wieder zum Vorschein kam und in den darauffolgenden Jahren wurde sie mehr und mehr freigelegt und bewundert, denn nun war sie kein Gebrauchsgegenstand mehr, auf dem Bergleute auf und ab gehen, sondern eine archäologische Sensation.



Doch es war auch mit der Ruhe vorbei. Der Berg drückte wieder und er begann die Stiege zu verschieben – ein natürlicher Prozess, der den Erhalt der Konstruktion gefährdete. Das gefiel den Forschern natürlich nicht, denn sie hätten die Steige gerne unverändert an ihrer Fundstelle belassen. 


Die Stiege muss geborgen werden: 
Robert Fürhacker 2012 ©NHM - A. Rausch
Doch dann hatte der Eigentümer des Bergwerks, die Salinen Austria AG und Salzwelten GmbH, eine Idee, die es gleichzeitig ermöglichte, die Stiege zu schützen und sie der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, indem man eigens für die Stiege einen neuen Raum im Besucherbergwerk der Salzwelten freisprengt. So kann sie ohne Bergdruck künftig weiterhin in der für ihren Erhalt so wichtigen Umgebung bleiben. Das stellte die verantwortlichen Archäologen allerdings vor viele zu beantwortende Fragen, denn einfach abbauen und dann an einer Stelle, wo sie die Touristen bewundern können, wieder aufbauen, das geht nicht, denn Archäologie ist eine Wissenschaft. Das bedeutet, alles muss genau dokumentiert werden, damit auch danach, wenn die Stiege nicht mehr da ist, wo sie so lange lag, noch immer mit den dokumentierten Daten weitergeforscht werden kann.

Ablaufbesprechung vor Beginn des Abbaus 2013 
©NHM - A. Rausch
Also wurde viel darüber nachgedacht, was gemacht werden muss, bevor die Stiege abgebaut wurde, wie sie abgebaut werden soll, was dann mit den einzelnen Teilen gemacht werden soll und wie sie dann wieder aufgebaut werden soll…. bevor man 2013 mit dem Abbau begann.



(Von Robert Fürhacker)

A Stiagn

Es ist ungewohnt, die Hallstätter Stiege nun in unserem Tiefspeicher im Naturhistorischen Museum in Wien zu sehen, wo sie gerade nochmals gründlich dokumentiert wird.


Die erste Teilansicht der 
südlichen Stiegen-Wange 
(an der Ecke des Maßstabs) 
2001 ©NHM - A. Rausch
Als wir sie damals gefunden haben, haben wir lange nicht gewusst, was das überhaupt für ein Ding ist. In der Montanarchäologie sieht man Vieles von einem ungewohnten Blickwinkel aus und so haben wir auch bei der Stiege erst einmal von unten auf die Tritte geschaut, als wir begannen sie frei zu schrämen. Wir hatten zwar schon bald verstanden, dass es sich um eine komplexere Konstruktion handeln musste, die in prähistorischer Zeit als Hilfsmittel bei der Salzgewinnung eingesetzt worden war. Aber über alles Andere gingen unsere Vermutungen weit auseinander.

Neulich habe ich mir nochmal die Grabungstagebücher angeschaut. Dabei ist mir wieder mal bewusst geworden, was für ein unglaubliches Gespür mein Vorgänger Eckart Barth hatte, für alles, was den Hallstätter Salzberg betrifft. Während ich und viele andere nämlich noch dachten, es sei eine Arbeitsplattform, hatte Eckart schon ein kleines, einfaches Stiegenmodell geschnitzt.

Die Stiege ist nun als solche erkennbar.
Martin Obenaus beim Freilegen.
2004 ©NHM - A. Rausch
Den Moment, als uns endgültig klar wurde, dass die Stiege eine Stiege ist, erinnere ich noch genau: Martin Obenaus, einer der besten Ausgräber Österreichs, war damals mit der Freilegung der Stiege betraut. Normalerweise kam er etwa alle 2 Stunden in unser provisorisches Büro unter Tage, ruhte sich kurz aus und trank etwas Tee. An diesem Tag aber blieb er plötzlich vier Stunden weg. Als er endlich kam, nahm sich gewohnt wortlos seine Tasse, setzte sich hin und trank ein paar Schlucke. Ich beschloss, mich nicht weiter zu wundern und machte mich wieder an meine Arbeit. Und dann sagte er doch etwas. Es war dieser eine Satz, der alle unsere verschiedenen Überlegungen beendete:„Es is a Stiagn.“ Dann stand er auf und ging wieder an die Arbeit.

(Von Hans Reschreiter)