Donnerstag, 21. Juli 2016

Von Gerba und Foschi - Was Hallstatt mit der Sahara verbindet


Eine "Gerba" - ein Wassersack aus Ziegenhaut
aus dem Niger (Bild: H. Reschreiter - NHM Wien)
Erst vor Kurzem haben wir über den heurigen Plan berichtet, die Ziegenhautsäcke aus dem Hallstätter Salzberg nachzubauen und zu testen.
Um die prähistorischen Ziegenhautsäcke aus Hallstatt besser zu verstehen, arbeiten wir aber nicht nur an Rekonstruktionen. Wir sammeln auch moderne Ziegenhautsäcke um deren Herstellungs- und Verwendungsspuren mit den 2500 Jahre alten Stücken aus dem Bergwerk vergleichen zu können.
Und gestern war es wieder so weit. Eine Gerba, ein traditioneller, aus einem Ziegenbalg gefertigter Wassersack aus dem Niger, wurde mir übergeben. Die Überbringerin war Frau Eva Gretzmacher. Sie ist Initiatorin des Kompetenzzentrums amanay in Agadez/Niger und lebt und arbeitet seit vielen Jahren in Agadez.

Die mit Trinkwasser gefüllte Gerba wird luftig
aufgehängt. Das verdunstende Wasser kühlt
den Inhalt. Im Hintergrund die Packkamele
und die Futterbündel, die für die Hin- und
Rückreise mittransportiert werden.
(Bild: Eva Krati)

Bei der Übergabe erfolgte eine intensive Erklärung zur Verwendung der Gerba und - auf was Rücksicht zu nehmen ist - wie sie zu lagern, zu befüllen ist und wie sie hergestellt wurde. Wir sprachen auch lange über andere Handwerkstechniken, wie Seilerei und Töpferei, die im Niger zum Teil noch auf sehr hohem Niveau gepflegt werden, bei uns aber schon fast ausgestorben sind und Massenproduktion gewichen sind.

Den Kontakt zu Eva Gretzmacher hat Eva Krati hergestellt. Sie ist auch eine Saharareisende, arbeitet jetzt als Freiwillige bei uns in der Abteilung und unterstützt das Team von Restauratorin Gergana Almstätter. Eva Krati hat uns einen Teil ihrer Saharafotos zur Verfügung gestellt. Dieser tolle Schatz an Aufnahmen zeigt auch eine Gerba in Funktion während der Rast einer Salzkarawane.

Ein "Foschi" - ein gespresster Salzlaib aus
Agadez (Bild: H. Reschreiter - NHM Wien)
Neben der Gerba wurde noch ein Stück aus Agadez nach Wien geschleppt: ein Salzlaib, "Foschi" oder "Fotschi" genannt. Zur Herstellung dieser Stücke werden 2 kg fast reines Speisesalz ("Beza-Salz") in eine Emailleschüssel gepresst und anschließend getrocknet.
Ich bin total stolz, dass jetzt endlich so ein Salzlaib in der Sammlung des NHM ist. Die "Foschi" werden in den Salzoasen Bilma und Fachi hergestellt. Dort wird in den Verdunstungsbecken die natürlich vorkommende Sole weiter konzentriert, bis Salzkristalle zu wachsen beginnen.

Verdunstungsbecken zur Salzproduktion in Bilma
(Bild: Eva Krati)
Aus dem gewonnenen Salz werden neben den "Foschi", die als Speisesalz dienen, noch 25 kg schwere Salzkegel produziert – die "Kantu". Sie dienen als Viehsalz.

Die Analyse von modernen Salzproduktionen und Salzaustauschsystemen, wie denen in der Sahara, gibt uns Hinweise, wie die Herstellung und der Vertrieb von Salz in Gesellschaftsstrukturen eingebettet ist und kann uns helfen, prähistorische Salzproduktion besser zu verstehen.
Aber dazu mehr in einem der nächsten Posts aus Hallstatt. 

Lager von "Kantu" und "Foschi" in Bilma
(Bild: Eva Krati)
Ich war nun schon sehr lange nicht mehr in der Sahara, meine letzte Reise nach Afrika liegt 20 Jahre zurück. Ich denke schon darüber nach, Eva Gretzmacher in ihrem Kompetenzzentrum in Agadez zu besuchen und Ziegensäcke, Seilerei, Gerberei, Töpferei aus nächster Nähe kennen zu lernen und Handwerkstechniken und Fertigkeiten erleben, erlernen und dokumentieren zu können, die bei uns nicht mehr gepflegt werden.

Zum Abschluss noch ein Filmtipp: Evas Sohn, Christoph Gretzmacher ist als Produktionsleiter für einen der faszinierendsten Sahara Filme verantwortlich, der in den letzten Jahren realisiert wurden und auch mehrfach ausgezeichnet wurde: „Die Frauenkarawane“ von Nathalie Borgers. 
Anschauen und eintauchen in eine Welt aus Sand und voller spannender Aspekte rund um Tauschsysteme, Geschlechterrollen und Datteln. Zu sehen ist er unter www.lotus-film.at/filme/die-frauenkarawane

von Hans Reschreiter




Donnerstag, 14. Juli 2016

Alles Käse? Spanschachteln aus dem Bergwerk


Spanschachteln sind für uns nach wie vor eine bekannte Verpackung für Käse. Die Geschichte dieser Holzschachteln reicht bis in die Bronzezeit zurück.

Eine der eisenzeitlichen Spanschachteln aus dem
Hallstätter Salzberg (Bild:NHM Wien)
Der größte europäische Fundkomplex an eisenzeitlichen Spanschachteln stammt aus dem Hallstätter Salzbergwerk. Dort wurden in den letzten Jahrzehnten einige fast vollständige Spanschachteln und über 20 Fragmente solcher Behälter entdeckt. 

Etliche dieser Schachteln weisen an der Wandinnenseite oder am Boden eine gelbliche Kruste auf. 
Vor genau 50 Jahren wurde von Karl Kromer eine erste Analyse dieser Kruste publiziert: „Eine chemische Untersuchung hat ergeben, dass in diesen Schachteln möglicherweise stark kaseinhaltige Substanzen aufbewahrt wurden (Kromer 1966, 233).“


Seitdem werden die Hallstätter Spanschachteln als Käseschachteln bezeichnet.
Um diese Vermutung zu bestätigen oder zu überprüfen, sind wir seit Jahren auf der Suche nach geeigneten Analyseverfahren. 

Auf der Universität für Bodenkultur machen wir nun einen ersten Schritt in diese Richtung. Johannes Tintner und Barbara Stefke entführen uns mit unserer Spanschachtelprobe ins 2,5. Untergeschoss des Simon Zeisel Hauses, dem Imaging Centers in der Muthgasse.

Innenseite einer Spanschachtel mit gelblicher Kruste
(Bild: Univ. für Bodenkultur Wien)
Dort steht neben vielen anderen Analysegeräten ein FT-IR Mikroskop, mit dem berührungslos Reflexionsspektren im mittleren Infrarot aufgenommen werden können. Damit ist es möglich infrarot aktive organische und anorganische Substanzen zu bestimmen.  
 
Neben der zerstörungsfreien Analyse hat dieses Gerät noch einen zweiten großen Vorteil – es kann ein Image aus vielen Messpunkten erstellen – also Flächenmessungen vornehmen. 

Im Moment ist unser Spanschachtelfragment gerade ins Gerät eingespannt und wir sind schon total neugierig ob vor 2500 Jahren im Bergwerk alles Käse war in den Schachteln, oder ob sich doch eine andere Substanz hinter der gelben Kruste verbirgt. 
(von Hans Reschreiter)

Genaue Analysen im Labor der Universität für Bodenkultur (Bild: H. Reschreiter - NHM Wien)

Donnerstag, 7. Juli 2016

Rohhaut ist kein Rosenwasser



Der eisenzeitliche Rucksack aus
dem Hallstätter Salzbergwerk
(Bild: A.W. Rausch - NHM Wien)
Der älteste bekannte Rucksack Europas stammt aus dem Salzbergwerk Hallstatt und ist über 2500 Jahre alt. Das gute Stück wurde aus einer Ziegenhaut gefertigt, die ohne Bauchschnitt abgezogen wurde und ist im Naturhistorischen Museum Wien ausgestellt. 
Eines der Ziele der heurigen Saison ist es, etliche dieser Ur-Rucksäcke nachzubauen und auf ihren Tragekomfort, Bedienbarkeit und Abnutzungsspuren zu testen. Der Rucksack aus Hallstatt weist nämlich eine spezielle Eigenheit auf: er wird von unten befüllt und verschließt sich von selber, wenn man ihn schultert.

Da der Ur-Rucksack aus Ziegenrohhaut gefertigt ist, musste entsprechendes Material besorgt werden. Die Ziegenhaltung in Mitteleuropa ist inzwischen verhältnismäßig selten geworden, deshalb erwies sich die Beschaffung als schwierig. Außerdem musste der Lieferant sicherstellen, dass die entsprechenden Ziegen nach der Schlachtung ohne Bauchschnitt abgezogen wurden. Eine heute äußerst unübliche Praxis, die für die Anfertigung eines solchen Rucksackes unumgänglich ist.

Fündig wurde ich bei einem Fellhändler in Deutschland, der mir verhältnismäßig schnell neun entsprechende Rohfelle zusenden konnte. Da es sich um Rohmaterial handelte, musste alles schnell gehen, denn die Häute mussten trocken und luftig zwischengelagert werden, ehe es wenige Tage später im Rahmen der mehrtägigen Lehrveranstaltung "Experimentalarchäologie in der Praxis" der Universität Wien in Asparn an der Zaya an die Weiterverarbeitung gehen konnte. 

Der erschreckend lebendige Inhalt des
Pakets (Bild: D. Breineder - NHM Wien)
Überrascht, einige Tage später von der Post nur ein, statt zwei Pakete, ausgehändigt zu bekommen, ging ich trotz allem sofort an die Verarbeitung. Schon beim Öffnen des Paketes verbreitete sich ein unangenehmer Duft nach alten Hundeknochen. Glücklicherweise waren die ersten drei Felle in Ordnung, das viele noch anhaftende Stroh ein für mich beruhigender Hinweis, dass es sich um Stallschlachtung gehandelt haben dürfte. 

Das letzte Stück jedoch unterschied sich deutlich von den anderen. Stellenweise vollkommen nass und angeschimmelt, stank es nicht nur deutlich mehr, sondern war auch alles andere als leblos. Maden, überall! Auf der Haut und im Karton krochen unzählige davon umher. Nicht vollkommen überrascht aber doch einigermaßen angewidert und erbost, musste ich diese kontaminierte Haut sofort entsorgen. 


Was wohl aus dem zweiten Paket mit den restlichen Häuten geworden ist? Vielleicht ist es inzwischen selbst zurück nach Deutschland gelaufen..

Mit den Freuden einer Lieferung wohlduftendem, frischem Leder kann so eine Box voller Rohhaut freilich nicht mithalten. Dennoch war ich froh, die Herstellung der Rucksäcke konnte nun bald losgehen!

von Daniel Breineder, Hans Reschreiter und Fiona Poppenwimmer